Bruder Raúl Castro ist laut Verfassung Fidels Nachfolger. | Revolutionär hat sich von Operation nicht völlig erholt. | Wien/Havanna. "They never come back": Was Kubas Staatschef Fidel Castro angeht, trifft eine alte Boxerweisheit voll ins Schwarze. Der seit fast eineinhalb Jahren wegen Krankheit nicht mehr öffentlich in Erscheinung getretene Revolutionär deutete am Montagabend erstmals seinen endgültigen Rücktritt an. "Meine natürliche Pflicht ist nicht, an Ämtern festzuhalten - und noch weniger, den Weg jüngerer Menschen zu behindern", hieß es in einem Brief des 81-Jährigen, der im staatlichen kubanischen Fernsehen verlesen wurde.
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Noch ist der letzte noch lebende politische Akteur aus der Zeit des Kalten Krieges Staats- und Regierungschef sowie Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Kubas. Nach einer mit zahlreichen Komplikationen verbundenen Darmoperation hat Castro im Sommer 2006 die Amtsgeschäfte allerdings an seinen fünf Jahre jüngeren Bruder Raúl übergeben. Fidel Castro selbst empfing in den vergangenen Monaten Venezuelas linkspopulistischen Staatschef Hugo Chavez am Krankenbett und meldete sich immer wieder in dutzenden Zeitungsartikeln zur Innen- und Außenpolitik zu Wort.
Auf den wenigen Fernsehbildern, die das kubanische Publikum seit der Operation zu sehen bekam, macht Castro einen gebrechlichen Eindruck, er kann nur langsam gehen, für einen Auftritt in der Öffentlichkeit ist er nicht fit genug. Evident wird jetzt das, was zahlreiche Ärzte schon in der Vergangenheit gesagt haben: Castro wird sich von dem Eingriff nicht wieder völlig erholen.
Seine politische Zukunft hat der "Maximo Lider" immer offen gelassen. Jetzt macht er deutlich, dass er selbst nicht mehr an seine völlige Genesung und Rückkehr in die Tagespolitik glaubt. Seine Pflicht sei es nun, "Erfahrungen und Ideen" weiterzugeben, schreibt er in seinem Brief. Damit wird Castro wohl in die Rolle eines Ratgebers schlüpfen, dessen Meinung mehr oder weniger befolgt wird.
Ein zäher Feind des "Imperiums"
Die überraschende Erklärung Castros erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem die Weichen für die zukünftige Regierung auf der Karibikinsel gestellt werden. Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Bestimmung des künftigen Kabinetts, das aus den Reihen der Nationalversammlung hervorgeht. Die Regierungsriege wird am 20. Jänner 2008 gewählt. Fidel Castro wurde Anfang Dezember als Kandidat aufgestellt, was sofort Gerüchte aufkommen ließ, denen zufolge der kranke Präsident doch ein Comeback starten könnte.
In den USA, die spätestens seit der fehlgeschlagenen Invasion in der Schweinebucht 1961 aktiv einen Machtwechsel auf Kuba ansteuern, wird die jüngste Entwicklung wohl mit Genugtuung aufgenommen werden. Zahlreiche von der CIA gesteuerte Attentate hat Castro überlebt und auch die Administration von George W. Bush hat bei diversen Anlässen klar gemacht, dass man einen Wandel aktiv unterstützen wolle. Castro erwies sich allerdings als enorm zählebig, selbst das Wirtschaftsembargo, das die USA 1961 in Kraft gesetzt haben und das Kubas Wirtschaft seitdem schwer beschädigt, konnte das Regime nicht zu Fall bringen. Die Frage ist nun, ob der Führungswechsel auf Kuba auch einen Systemwechsel bringt.
Raúl Castro, der seit fast eineinhalb Jahren provisorisch an der Staatsspitze steht, wird laut kubanischer Verfassung der Nachfolger Fidel Castros. Er macht indes nicht den Eindruck, als wolle er in Kuba mehr Demokratie zulassen als sein zunehmend ans Krankenbett gefesselter Bruder.
Dass Raúl relativ fest im Sattel sitzt, liegt darin begründet, dass es trotz intensiver Bemühungen der USA auf Kuba keine schlagkräftige Opposition gibt. Den wenigen - intellektuellen - Dissidenten ist es nicht gelungen, maßgeblichen Widerhall unter der Bevölkerung zu finden. Auch die Protestbewegung "Frauen in Weiß" hält sich, was Zahl und Wirkung betrifft, in überschaubarem Rahmen.
"Es wird Jahre dauern, bis sich etwas ändert"
Der mächtigen Gemeinschaft der Exilkubaner, die sich vor allem in Florida angesiedelt hat und die nichts sehnlicher erwartet als Fidel Castros Ende, ist es nicht gelungen, das System von außen zu unterminieren. "Auch nach dem Tod von Fidel Castro wird es Jahre dauern, bis es zu tief greifenden Veränderungen auf Kuba kommt", zieht der bekannte Dissident Raul Rivero Bilanz. Dazu kommt, dass Fidel Castro in den letzten Jahren seiner aktiven Regentschaft einige politische Erfolge erzielen konnte. So hat er zuletzt die Energiekrise einigermaßen in den Griff bekommen, auf den Märkten fanden sich wieder etwas umfangreichere Warenangebote. Bildungs- und Gesundheitswesen sind immer noch relativ gut entwickelt.
Von den zwölf Millionen Kubanern sind 303.000 älter als 80 Jahre - das sind signifikant mehr als in allen anderen Ländern Lateinamerikas. Kuba entsendet Ärzte in befreundete Länder, die Alphabetisierungsquote beläuft sich auf 97 Prozent. Das sind soziale Errungenschaften, die vor allem die älteren Kubaner eng an das Regime binden. Während auf Kuba starke regimekritische Kräfte nur schwer auszumachen sind, verfügt Castros Staat immer noch über beachtliches Mobilisierungspotential. Hunderttausende Menschen versammelten sich zuletzt, um gegen die US-Kuba-Politik zu demonstrieren.
Große Worte
"Die Geschichte wird mich freisprechen."
1953, Fidel Castro steht wegen Putschversuchs vor Gericht
"Eine Revolution ist kein Rosenbett."
Castro im Jahr 1959
"Eine der größten Errungenschaften unserer Revolution ist, dass selbst unsere Prostituierten Akademiker sind."
2003 im Dokumentarfilm "Comandante"
"Ich habe begriffen, dass meine eigentliche Bestimmung der Krieg mit den USA sein würde."
Castro im Jahr 2004Mehr zum Thema:Fidel Castro - Vom Rechtsanwalt zum Revolutionär