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Und dann auch noch ein Streik

Von Petra Tempfer und Bernd Vasari

Wirtschaft

Zuletzt lief es nicht rund für die ÖBB: Verspätungen, schlechtes WLAN. Und am Montag blieben die Bahnsteige leer.


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Wenn das Leben eine Achterbahn ist, dann geht es für die ÖBB nach steilem Aufstieg gerade wieder ein bisschen in Richtung Ebene. Häufige Verspätungen, bummvolle Züge, schlechtes WLAN und am Montag auch noch ein ganztägiger Streik. Selbst der Schienenersatzverkehr stand nicht zur Verfügung. Den Schaden haben die Bundesbahnen: In Zeiten der Klimakrise fühlt es sich zwar gut an, den Zug zu nehmen. Doch wie viel ist man bereit, dafür in Kauf zu nehmen? Wie weit lässt sich das Nervenkostüm der Pendler strapazieren, bevor sie doch wieder mit dem Auto in die Arbeit fahren?

12 Prozent mehr Lohn fordern die Eisenbahner-Vertreter der Gewerkschaft vida, zudem die Erhöhung von Kollektivvertrag- und Ist-Lohn um 400 Euro. Sie verweisen auf die Höhe der Inflation von 11 Prozent. Die Arbeitgeber wollen hingegen nur 8,4 Prozent mehr zahlen sowie eine Mindesterhöhung von 208 Euro. Bisher war das zu wenig für die Gewerkschaft, die am Sonntag die Verhandlungen abbrach. Statt eines neuen Sondierungstermins rief sie für Montag einen österreichweiten Eisenbahn-Streik aus. Tausende Pendler mussten auf die Bahn verzichten.

Auf den Bahnsteigen des Pendlerbahnhofs St. Andrä-Wördern in Niederösterreich ist es gespenstisch still. Nicht einmal Auskunftspersonen der ÖBB stehen aufklärend am Bahnhof, wie es für gewöhnlich bei längeren Zugausfällen der Fall ist, denn diese streiken ja auch. Lediglich die digitale Fahrplantafel leuchtet stumm und in grellem Gelb mit der Sonderinformation: "Warnstreik der Gewerkschaft vida! Gesamter Zugverkehr eingestellt!" Und über die Anzeigen der ÖBB-Busse läuft in Dauerschleife der Schriftzug: "Kein Verkehr von 0 bis 24 Uhr."

Die zugfahrenden Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde waren dafür seit Tagen umso aktiver. Über Facebook-Gruppen, WhatsApp oder persönlich in der Nachbarschaft wurden Fahrgemeinschaften vor allem auch für die Kinder, die in Wien eine Schule besuchen, gebildet. Wer einen letzten freien Platz im Auto hatte, verbreitete das noch Montagfrüh über die diversen Plattformen.

Freie Fahrt für Autofahrer

Wie zu hören war, gab es für diese unfreiwilligen Autopendler und -pendlerinnen in St. Andrä-Wördern zumindest einen positiven Aspekt: Jeder der insgesamt fünf Bahnschranken der näheren Umgebung, vor denen man sonst gefühlt jedes Mal warten muss, war am Montag offen.

Für ÖBB-Chef Andreas Matthä kommt der Streik zu einem ungünstigen Zeitpunkt. "Mir fehlt jedes Verständnis für diesen mutwilligen Streik", schimpft er. Nach jahrelangem Aufwind lief es zuletzt nicht sehr rund bei den ÖBB. Der klimafreundliche Trend zur Bahn und das von der Bundesregierung beschlossene Klimaticket führten zu schnell steigendem Passagieraufkommen. Bis an Spitzenzeiten die Menge an Fahrgästen nicht mehr bewältigt werden konnte. Es kam vereinzelt sogar zu Zugräumungen, und die ÖBB mussten sich eingestehen, dass sie mit ihren verfügbaren Zügen am Limit waren.

Das Ziel, so viele Pendler wie möglich vom Auto in die Bahn zu bewegen, wurde auch durch die weiterhin häufigen Verspätungen konterkariert. Und für Menschen, die im Zug den Laptop aufklappen, ist das Internet der ÖBB eine nostalgische Erinnerung an die Zeit laut piepsender Modems.

Und nun die abgebrochene Lohnrunde zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern samt Warnstreik. Zumindest für Teile des Güterverkehrs konnte noch vorgesorgt werden. "Wir haben angesichts der angespannten Lage versucht, für wesentliche Kunden schon im Vorfeld die Züge in die Werke hineinzustellen", sagt Matthä. "Das sollte großflächig gelungen sein, sodass die Großbetriebe normal arbeiten können."

Jetzt wieder verhandlungsbereit

Der Warnstreik endet heute am Montag um 24 Uhr. Ab Dienstag, sei die Eisenbahner-Gewerkschaft wieder verhandlungsbereit, hieß es im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Für Chefverhandler Gerhard Tauchner war der Streik jedenfalls ein Erfolg. Neben der Machtdemonstration konnte er auch die Klimaaktivisten Fridays for Future auf seine Seite ziehen. "Eine Lohnerhöhung ist dringend notwendig, damit die Eisenbahnbranche für junge Generationen attraktiv bleibt und die Mobilitätswende nicht unter die Räder kommt", sagt Aktivistin Klara König.

Die Pendler ihrerseits mussten sich nach Alternativen umsehen. Wer in keiner Fahrgemeinschaft unterkam, selbst aber kein Auto besitzt und auch keine Möglichkeit zum Homeoffice hat, durfte aus arbeitsrechtlicher Sicht dennoch nicht der Arbeit fernbleiben. "Die Anreise zur Arbeit liegt in der Verantwortung des Arbeitnehmers", sagt die Arbeitsrechtlerin Katharina Körber-Risak zur "Wiener Zeitung".

"Wenn es keine Möglichkeit zum Homeoffice gibt, ist er verpflichtet, zu erscheinen", sagt sie, "und zwar pünktlich." Zeichnet sich ab, dass es sich doch nicht ausgeht, rechtzeitig in der Arbeit zu sein, sei man verpflichtet, das zu melden. Jedem Arbeitgeber stehe es freilich frei, kulant zu sein, sagt Körber-Risak. Ist er es nicht, gebe es Zeitabzug.

Österreichs Pendlerinnen und Pendler dürften gut auf die Zugausfälle vorbereitet gewesen zu sein. Auf den Bahnsteigen in St. Andrä-Wördern wartete kein einziger Fahrgast auf seinen Zug. Auch die anderen österreichischen Bahnhöfe waren leer. Was bleibt, ist ein verheerendes Bild für die ÖBB. Denn während die Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern weitergehen, wurde für Österreichs größten Bahnkonzern der schlimmstmögliche Albtraum wahr: Bahnsteige im ganzen Land ohne Fahrgäste.