"WZ"-Gespräch mit dem Grazer Ökonomen Stefan Schleicher. | Verbesserte Wirtschaftsstrukturen tun auch dem Klima gut. | Wien. Für Stefan Schleicher, seit 1978 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Graz und schon lange mit den ökonomischen Implikationen des Klimawandels befasst, ist dieser keine Glaubenssache mehr, sondern Faktum: "Wären die Aussagen der Klimaforscher nicht so überzeugend, würde es Geldgebern aus der "carbon economy", der Kohlenstoffindustrie, leicht fallen, gegenteilige Forschungsergebnisse ans Licht bringen. Aber die findet man nicht." Der oft als Klimawandel-Skeptiker zitierte Politikwissenschafter und Statistiker Björn Lomborg sei kein Klimaforscher und ein ausgesprochener Außenseiter, aber Liebkind einiger Medien, wie des "Wall Street Journal".
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Schleicher verweist auf die nunmehr drei Berichte des "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC) - der vierte ist für Ende 2007 angekündigt -, an dem 3000 ausgewiesene Wissenschafter aus aller Welt beteiligt sind. Die IPCC-Reports würden mit großer Akribie erstellt, es sei, so Schleicher, "schwer vorstellbar, dass wichtige Forschungsergebnisse unter den Tisch fallen". Als 2001 in den USA die Bush-Administration antrat, wollte sie - um den Ausstieg aus dem Kyoto-Prozess zu begründen - von der amerikanischen Akademie der Wissenschaften ein krtisches Gutachten zum damaligen IPCC-Report. Das Urteil der Akademie, die den Report in allen Punkten bestätigte, empfand man dann in Regierungskreisen als "nicht hilfreich". Auch Versuche der Bush-Regierung, den renommierten Nasa-Klimaexperten James Hansen unter Kuratel zu stellen, scheiterten.
Verkehr, Wohnen,
Energiebereitstellung
Er selbst sei sicher "nicht einer, der den Klimawandel an erster Stelle der Weltprobleme sieht", sagt Schleicher. Doch die Lösung jener drei Probleme, die ihm als Ökonomen vordringlich erscheinen, würde auch dem Klima gut tun:
o Verkehr: Österreich verzeichnet unter den EU-Ländern die größte Anzahl von Verkehrsunfällen mit Personenschaden, meist im Nahverkehr. Würde man auf kurzen Strecken auf das Auto verzichten, gäbe es weniger Unfälle und weniger Schadstoffe.
o Wohnen: Viele Gebäude in Österreich sind abgewohnt. Ein forciertes Sanierungsprogramm für Altbauten würde die Wirtschaft ankurbeln und als Nebeneffekt den Energiebedarf für diese Häuser drastisch, auf etwa ein Drittel oder sogar Viertel des bisherigen Bedarfs, senken.
o Energiebereitstellung: Schleicher empfiehlt die kombinierte Erzeugung von Elektrizität und Wärme (Cogeneration) in kleineren Einheiten als jetzt. Damit könnte man den Wirkungsgrad der eingesetzten Energie mindestens verdoppeln.
Stefan Schleicher ist überzeugt, dass der Klimawandel, messbar in der laufenden Erderwärmung, tatsächlich im Gange ist. Natürlich gebe es Unsicherheiten, wie hoch daran der Anteil des Menschen sei, wie schnell und in welchem Ausmaß sich das Klima ändere, wie schnell man darauf reagieren könne und müsse. Man nehme an, dass bei einem weltweiten Anstieg um zwei Grad Celsius das Eis in Grönland und in der Arktis abschmelze, vielleicht könne dieser Prozess aber auch bei einem geringeren Ansteigen der Temperatur nicht mehr gestoppt werden.
In den letzten 600.000 Jahren sei das Grönlandeis schon mehrmals geschmolzen, das könne auch Einfluss auf den Golfstrom haben und zu einer Abkühlung für Europa führen.
Schleicher stellt auch bei den gegenüber dem Klimawandel lange Zeit skeptischen Ökonomen - "für sie ist es ein völlig neues Phänomen in Zeiträumen von 100 Jahren und mehr zu denken" - ein langsames Umdenken fest. Neben der lange dominierenden Ökonomie des raschen Gewinns nehmen die Befürworter eines langfristigen nachhaltigen Denkens zu. Während viele Ökonomen, mit dem Amerikaner William Nordhaus an der Spitze, bisher eher auf "Abwarten" setzten, merken jetzt viele, dass die Zeit drängt. Ursache dafür ist nicht zuletzt der am 30. Oktober 2006 veröffentlichte "Stern-Report", für den eine wirtschaftliche Autorität, der frühere Chefökonom der Weltbank, der Brite Nicholas Stern, verantwortlich zeichnet.
Später die fünf- bis zwanzigfachen Kosten
Für Schleicher sind zwei Aussagen des Stern-Reports wichtig: "Erstens: Der Klimawandel kann Schäden anrichten, die in der Zukunft fünf bis zwanzig Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erreichen könnten. Und zweitens: Jetzt in der Gegenwart würde ein Prozent dieser Wirtschaftsleistung reichen, um die Probleme in bewältigbaren Grenzen zu halten."
Das Zeitfenster, um verhältnismäßig billig mit dieser "Klimaversicherungsprämie von einem Prozent" gegenzusteuern, sei aber wahrscheinlich auf die nächsten zehn Jahre beschränkt. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang, den armen Staaten in Afrika, Lateinamerika und Asien nicht die heutigen, sondern gleich energiesparende und klimaschonende Technologien von morgen anzubieten.
Russischer Bedrohung entgegenwirken
Auch Europa rät Schleicher, schon wegen der Bedrohung durch die neue russische Erdöl- und Erdgas-Politik, auf neue Technologien zu setzen: produktiver mit Treibstoff umzugehen und Fremdenergie bei Gebäuden drastisch zu reduzieren (etwa durch den Bau von "Passivenergiehäusern"), .
Stefan Schleicher empfiehlt auch, die Aussagen der Klimaforscher, dass der Alpenraum vom Klimawandel stärker betroffen sein wird, sehr ernst zu nehmen: "Ab 2050 wird es in den Alpen wahrscheinlich nur noch Gletscherreste geben. Extreme Wetterereignisse werden zunehmen. Wintersportorte unter 1200 Meter Seehöhe werden sich umstellen müssen."
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