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Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Oder besser gesagt: das Mädchen. 40 Jahre lang prangt (Hello) Kitty, das Comic-Baby mit den Schnurrhaaren und den eckigen Öhrchen, schon auf Geldbörsen, T-Shirts, Tassen, Ballons, sogar Flugzeugen. Nun lässt der Erfinder, die japanische Firma Sanrio, im Vorfeld einer Kitty-Ausstellung (auch das gibt es) mit einer Enthüllung aufhorchen. Dieser Ausbund an Putzigkeit sei nämlich gar keine Katze - sondern ein Mädchen. Kitty bewege sich ja nicht auf allen Vieren. Und: Sie besitzt, wie in Grellrosa erschöpfend nachgewiesen, selbst eine Katze. Dieser Punkt hat was: Kann eine Katzenhalterin denn selbst Katze sein?
Nun ist es mit dieser "Enthüllung" freilich so eine Sache. Als Besitzer der so possierlichen wie mächtigen Franchise-Ikone kann Sanrio nach Gutdünken über deren Wesenskern bestimmen. Und der Deutungsspielraum ist gerade hier beträchtlich. Immerhin stellt Kitty keine Comic-Gestalt im engen Sinn vor: Abenteuer in bunten Heften oder Filmen sind von ihr nicht überliefert. Eine plastische Figur ist sie nicht, sondern bloß eine Plakette - und auf T-Shirts doch beliebter als der in unzähligen Geschichten geformte Charakterkopf Donald Duck. Insofern kündet Kitty, kulturkritisch besehen, vom Sieg des Kapitalismus über das Prinzip Narration.
Kitty-Fans dürften dennoch jauchzen. Immerhin ist ihre Ikone nun Menschenmädchen geworden wie sie (abgesehen vom Schnauzer). Dagegen könnte echten Comicfans flau werden. Welche Enthüllung ist wohl die nächste? Dass Donald Duck kein Enterich, sondern ein Seemann mit Toilettefehlern ist? Oder dass im Kostüm der Catwoman dafür eine echte Katze steckt?