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Eigentlich war es schon verdächtig still. Stimmt zwar - da gab es in Bayreuth diesen Streit um das verlotterte Haus Wahnfried, des Meisters Domizil also, das bis ins Wagnerjahr 2013 garantiert nicht in alter Pracht prangen wird. Peinlich. Doch nichts gegen die Zwistigkeiten in der Familiendynastie, als Komponistenenkel Wolfgang hier Chef war.
Doch jetzt haben es die Festspiele noch geschafft: Kurz vor der Festspielpremiere haben sie sich von Evgeni Nikitin getrennt. Am Mittwoch hätte der Russe die Titelrolle im "Fliegenden Holländer" singen sollen. Doch nachdem das ZDF Archivaufnahmen ausstrahlte, die Nikitin in jungen Jahren als Heavy-Metal-Drummer mit Nazi-artiger Tätowierung zeigten, musste der Bassbariton das Feld räumen (Samuel Youn übernimmt). Obwohl er die inkriminierte Tätowierung längst durch andere abdecken ließ.
Nun könnte man Bayreuth Scheinheiligkeit vorwerfen, wie dies Nikolaus Bachler tut: Er hält nicht Nikitin für das Problem, sondern das Festival und wirft der Intendanz Verlogenheit vor. Man könnte Bachlers Analyse aber auch teilen, ohne zum gleichen Schluss zu kommen. Natürlich: Bayreuth, einst Propaganda-Hort der Nazis, hat das größere Vergangenheitsproblem als ein Sänger, der eine Hakenkreuztätowierung aus dem Jahre Schnee bereut. Aber: Es muss nicht scheinheilig sein, wenn ein solches Festspiel auf einen solchen Sänger verzichtet. Nikitin mag seine Ansichten geändert haben. Die Bayreuth-Vergangenheit aber lässt sich nicht ändern - weshalb hier stets höchste Sensibilität herrschen muss: Auch nur ein Hauch von Nazi-Verdächtigung wäre fatal.