Die Atomkraft erlebt eine Renaissance: Während China und Russland AKW vor allem als Exportschlager betrachten, hofft man im Westen, mit Mini-Meilern das Klima zu retten.
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Sechs Kernkraftwerke sind es, die noch am deutschen Netz hängen. Doch auch für diese Reaktoren, die derzeit noch knapp 10 Prozent des Stroms in der Bundesrepublik liefern, gibt es ein Ablaufdatum: Am 31. Dezember 2022 soll in Deutschland das Zeitalter der Kernenergie enden.
Der Ausstieg aus der Atomkraft ist allerdings eine Ausnahmeerscheinung. Neben Deutschland hat sich angesichts der Reaktorkatastrophe von Fukushima nur noch die Schweiz zur Abschaltung aller Atomkraftwerke im Land entschlossen - wenngleich auch mit wesentlich weniger Vehemenz. So dürfen die nach der Stilllegung des AKW Mühleberg verbliebenen vier Reaktoren noch so lange in Betrieb bleiben, wie sie von den Schweizer Aufsichtsbehörden als sicher eingestuft werden.
In anderen europäischen Ländern ist dagegen eher eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten. So hat es in den vergangenen Jahren nicht nur zahlreiche Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke gegeben wie etwa im traditionell atomstromaffinen Frankreich, wo die ältesten Meiler nun 50 statt 40 Jahre in Betrieb bleiben dürfen. In mehreren Staaten wie Tschechien oder Slowenien wird mittlerweile auch wieder der Neubau von Kernkraftwerken offensiv vorangetrieben. Erst diese Woche hat der tschechische Energiekonzern CEZ die Genehmigung der nationalen Atombehörde für zwei neuen Reaktoren im AKW Dukovany erhalten.
Laut den Daten des "World Nuclear Industry Status Report" spielt Europa trotz mehrerer Neubauprojekte beim Ausbau der Kernkraft auf globaler Ebene aber nur eine Nebenrolle. Von den 120 geplanten und 50 im Bau befindlichen Reaktoren befindet sich die überwiegende Mehrheit in Asien und im arabischen Raum, allein in China wird derzeit an 15 neuen Anlagen gearbeitet.
Die Energie der Autokraten
Die Volksrepublik will ihre neueste Reaktorgeneration vom Typ "Hualong One", die erstmals ohne Hilfe ausländischer Konzerne entwickelt worden ist, auch exportieren. Bereits in den kommenden zwei Jahren sollen zwei Blöcke dieses Baumusters in der pakistanischen Millionenmetropole Karachi in Betrieb gehen.
Damit scheint auch ein neues Zeitalter anzubrechen. Denn die meisten geplanten großen AKW werden wohl nicht mit westlicher Technologie bestückt sein, sondern mit chinesischer oder russischer. Und Hand in Hand mit dieser Verschiebung droht auch die Regulierung insgesamt schwächer zu werden. Atomkraft werde zunehmend zur Domäne autokratischer Länder, schreibt etwa das britische Wirtschaftsmagazin "Economist". In diesen Staaten sei eine funktionierende und unabhängige Aufsicht aber am wenigsten wahrscheinlich.
Für die westlichen Länder, unter denen es nicht zuletzt aus Klimaschutzgründen noch immer starke Atomkraftbefürworter gibt, könnte sich aber ein anderer Weg auftun. So sieht etwa der britische Aktionsplan, mit dem bis 2050 Klimaneutralität erreicht werden soll, den Bau einer ganzen Reihe von Mini-Reaktoren vor. Die von Rolls-Royce konstruierten Anlagen haben mit 440 Megawatt zwar nur rund ein Drittel der Leistung eines Reaktorblocks in einem traditionellen Großkraftwerk, aber sie sind stark genug, um eine 500.000-Einwohner-Stadt mit Energie zu versorgen.
Entscheidung am Markt
Auch Joe Biden, der neue Mann im Weißen Haus, hat bereits starkes Interesse an der SMR-Technologie (die Abkürzung steht für "Small Modular Reactors") durchblicken lassen. Denn die neue Reaktorgeneration lässt sich nicht nur quasi in Serie - und damit deutlich kostengünstiger - fertigen. Durch den technologischen Fortschritt und die kleinere Größe sollen die Mini-Meiler im Fall eines Unfalls auch wesentlich weniger gefährlich sein als die havarierten Großkraftwerke in Tschernobyl oder Fukushima.
Die großflächige Renaissance der Atomkraft, die derzeit noch knapp 10 Prozent zum globalen Energiemix beiträgt, könnte allerdings noch am unaufhaltsamen Aufstieg von Solar- und Windstromanlagen scheitern. Die erneuerbaren Energien, die aufgrund neuer Batteriespeichertechnologien wohl auch in absehbarer Zeit das Problem der fluktuierenden Leistungsabgabe überwunden haben werden, sind beim Kilowattpreis für Strom nämlich schon jetzt deutlich billiger als die Kernkraft. Und da sind die massiven Folgekosten im Falle eines Super-GAUs oder die nach wie vor ungelöste Endlagerfrage noch nicht einmal mitgerechnet.