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Pensionsreformen haben es schwer: Ständig droht der Rückfall.
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Wien. "Österreich ist eine Insel der wirtschaftlich Seligen", spricht Bert Rürup, Ökonom, deutscher "Rentenpapst" und Sozialdemokrat. Die relativ gute Situation des Landes lasse langfristige Probleme verschwinden. "Gute Zeiten sind gute Zeiten für Reformen", sagt Rürup, aber "weitreichende Reformen des Pensionssystems sind nur in wirtschaftlich schlechten Zeiten möglich". Grundsätzlich sei die Schritt-für-Schritt-Strategie in dieser Frage gar nicht so schlecht, dennoch: "Es wird eine Reihe von Reformen gemacht, diese sind aber zu wenig konsistent."
Auch die Vertreter der "Generation Praktikum" fragen sich, ob sie noch eine Pension erhalten werden, von der sie auch leben können. Zwar sind in den Wahlprogrammen der großen Parteien keine Konzepte für eine Pensionsreform zu finden, dennoch erfordert die demografische Entwicklung eine permanente Anpassung der Sozialsysteme, des Pensionssystems zumal.
Trippelschritte . . .
Derzeit liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 81,5 Jahren. Für jeden Menschen steigt die diese ab der Geburt um 2,5 Monate pro Jahr. Der durchschnittliche Arbeitnehmer ist 35 Jahre lang am Arbeitsmarkt, aktiv davon 31 Jahre. Auf einen Pensionisten kommen zwei Beschäftigte, ab 2030 stehen einem Pensionisten nur noch 1,5 Beschäftigte gegenüber, im Jahr 2050 sind es nur noch 1,25 Aktive. Dann kommt auch einmal eine gute Nachricht: Bis 2075 wird das Verhältnis nicht nur nicht schlechter, sondern steigt ab 2068 wieder auf 1,27 Aktive pro Pensionist. Behauptet jedenfalls die Prognose.
Zwar haben diese und vergangene Regierungen Reformen gesetzt - etwa den Beginn der Harmonisierung der Beamten mit den ASVG-Pensionisten, Verlängerung des Durchrechnungszeitraums, höhere Abschläge bei vorzeitigem Pensionseintritt, Abschaffung der Frühpension. Und auch die meisten Länder haben seither schon Anpassungen ihrer Beamtenpensionen an jene des Bundes vorgenommen, aber Wien, Kärnten, Salzburg und Tirol hinken nach.
Gleichzeitig sind bei all diesen Reformen aber immer wieder schwere Fehler passiert. Um die Abschaffung der Frühpension auszugleichen, wurde unter der Regierung Schüssel II die sogenannte Hacklerregelung eingeführt. Dieser Begriff ist irreführend, weil Hackler - also zum Beispiel Bauarbeiter - kaum die dafür nötigen Jahre (Männer 45, Frauen 40) zusammenbringen. Tatsächlich beziehen viele Angestellte und Beamte die Pension nach langer Versicherungsdauer. Das zeigt sich auch an der Pensionshöhe, die weit über der Durchschnittspension liegt. 1150 Euro beträgt die durchschnittliche Pensionshöhe (ohne Invaliditätspensionisten), die Höhe der Pension bei langer Versicherungsdauer liegt bei 1405 Euro.
. . . mit schweren Fehlern
Und 2008 wurde diese Regelung sogar noch verbessert. Die Ungerechtigkeit zeigt eine Zahl: Hackler-Pensionisten erhalten alleine in den fünf Jahren, die sie früher in Pension gehen, 200.000 Euro mehr als jene, die mit 65 Jahren in Pension gehen. Also: Wer von 16 bis 60 arbeitet, erhält 200.000 Euro mehr Pension als jemand, der von 20 bis 65 arbeitet.
Zumindest dieses widersinnige System läuft heuer fast vollständig aus, ab 2014 muss bis 62 gearbeitet werden. Aber anscheinend plant die Regierung schon die nächste Schubumkehr: Die Sozialpartner sollen mit dem Sozialministerium für die Bauarbeiter (diesmal soll es wirklich für die Bauarbeiter sein) schon ein Pensionsantrittsalter von 58 Jahren ausverhandelt haben. Wenn dies stimmt, ist es der nächste schwere und teure Sündenfall.
Im Oktober tritt die Pensionskommission wieder einmal zusammen, um zu klären, ob es Anpassungen im Pensionssystem bedarf. Wahrscheinlich wird man sich auch diesmal zu keinen großen Veränderungsvorschlägen durchringen. Die Pensionsausgaben des Bundes in Prozent am BIP gehen von derzeit 14,555 Prozent auf 14,402 Prozent 2016 sogar leicht zurück. Da machten sich die Reformen doch bemerkbar, sagt der Ökonom Ulrich Schuh. An welchen Schrauben muss gedreht werden, um das System auch für die Jungen abzusichern? Es gibt grundsätzlich drei Hebel: ein höheres Pensionsantrittsalter, höhere Pensionsbeiträge, niedrigere Pensionen (die Pensionshöhe ist in Österreich übrigens sehr hoch im Vergleich zu anderen Staaten), man könnte auch noch einen höheren Beschäftigungsgrad als Faktor anführen.
Am einfachsten ist es, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Allerdings ist das leichter gesagt als getan, wie die vergangenen Jahre zeigen. Schließlich lag das durchschnittliche Pensionsantrittsalter 1970 noch bei 60 Jahren, jetzt ist es bei rund 58 Jahren. Im Vorjahr haben die Menschen in Österreich ihre Pension um einen Monat später angetreten als 2011. Bei diesem Tempo braucht es 12 Jahre, um das Antrittsalter um ein Jahr anzuheben.
Im Übrigen soll die Anhebung des Pensionsalters um ein Jahr dem Staatshaushalt eine Milliarde Euro einsparen.