Der linke Flügel in der SPÖ fordert eine Urabstimmung über einen allfälligen Koalitionsvertrag mit der ÖVP. Klingt gut, hat aber Haken.
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Basisdemokratie ist wie Sozialismus: in der Theorie großartig, nur dem Praxistest nicht gewachsen.
Das ist natürlich maßlos übertrieben, aber andererseits auch nicht völlig daneben. Tatsache ist, dass es in Österreich abseits der Grünen keinerlei Tradition in Sachen innerparteilicher Mitbestimmung gibt. Und womöglich hat das auch damit zu tun, dass die Grünen auf Bundesebene beharrlich den Sprung in höhere Sphären verweigern.
Am maßlosesten aber waren auch in diesem Fall wieder einmal die Freiheitlichen: Die schossen sich per basisdemokratischer Delegiertenversammlung in Knittelfeld 2002 gleich selbst hochkant aus der Regierung. Unvergessen Kurt Scheuch als "Reißwolf", der auf offener Bühne dem von Jörg Haider und der blauen Regierungsmannschaft ausgehandelten Kompromisspapier den Garaus machte. Angeblich hatte Haider Scheuch ja angewiesen, das Papier nur im übertragenen Sinne zu "verreißen", dieser habe das jedoch zu wörtlich genommen.
Doch zurück zum Thema.
Grundsätzlich spricht natürlich nichts gegen eine Einbindung der Basis in Entscheidungen. Wenn es denn eine entsprechende Kultur dafür gibt. Nur: Die gibt es - mit der bereits erwähnten Ausnahme der Grünen - nicht. In so einer Situation ist der Ruf nach einer Urabstimmung deshalb stets Ausdruck einer innerparteilichen Krise oder eines Machtkampfs konkurrierender Lager. Im aktuellen Fall der SPÖ geht es um ein Druckmittel des linken Flügels gegen die Parteiführung im Hinblick auf die anstehenden Regierungsverhandlungen mit der ÖVP. Das ist selbstredend nichts Verwerfliches, man sollte es nur dazusagen.
Tatsächlich ist der Frust an der Basis für engagierte Mitglieder in jeder Partei verständlich. Mit dem Erwerb der Mitgliedschaft bei SPÖ, ÖVP oder FPÖ entmündigt man sich quasi selbst: Entscheidungen werden ausschließlich von einer Handvoll Personen hinter verschlossenen Türen getroffen; Widerspruch oder die Einforderung transparenter Diskussionen werden dabei mit dem Hinweis, man müsse nach außen Geschlossenheit demonstrieren, abgeschmettert; und wer sich nicht daran hält, ist ein Querulant, der von den Medien mit der Dissidentenmedaille ausgezeichnet und ausgiebig herumgereicht wird. So weit, so paradox.
Prinzipielle Befürworter von Urabstimmungen verweisen gerne auf die Vorteile, welche die akkumulierte Intelligenz der Vielen im Vergleich zu einsamen Entscheidungen einiger weniger auszeichnet. Das Problem ist nur, dass die Meinung von Parteimitgliedern in zentralen Fragen der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung zuwiderläuft. Das gilt nicht nur bei Sachthemen, sondern auch bei Personalfragen: Der Liebling der Basis ist dem gemeinen Wähler meist - je nach Partei - entweder zu links oder zu rechts.
Das alles sind keine grundsätzlichen Argumente gegen Mitgliederbefragungen. Die sind ganz zweifellos politisch unglaublich mühsam und erschweren jeder Parteiführung das Leben. Nur: Eine Garantie, dass dann alles besser wird, gibt es auch nicht.