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Eine Analyse zu bisherigen Erfolgen und Versäumnissen. | Größte Brocken: Bundesstaatsreform und Reform des Haushaltsrechts. | Fortsetzung von Reformen im Gesundheits-, Schul- und Gerichtsbereich. | Wien. Zur Bürokratie hat der Österreicher ein seltsames Verhältnis. Er kann scheinbar ohne sie nicht leben, fühlt sich dennoch beständig von ihr verfolgt und liebt es vielleicht gerade deshalb so sehr, über ihre Auswüchse herzuziehen. Jenseits dieser tiefenpsychologischen Beziehung ist die bis in die 90er Jahre praktisch unkontrolliert wuchernde Bürokratie aber auch ein Wirtschaftsfaktor ersten Ranges. Und zwar auch, wenngleich nicht ausschließlich, im negativen Sinne. Österreich gibt schlicht zu viel knappes Geld für eine in vielen Bereichen ineffizient arbeitende Verwaltung aus.
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Entsprechend gehört das Kapitel "Einsparungen durch Verwaltungsreformen" seit Jahren zum fixen Bestandteil jedes Regierungsprogramms. Die Kosten für die Verwaltung machen rund 30 Prozent der Gesamtausgaben der öffentlichen Hand aus und sind damit der zweitgrößte Brocken. Eine Ausgabenreduktion von 10 Prozent in diesem Bereich würde rund drei Milliarden Euro oder 1,5 BIP-Prozent bringen.
Mit Abstand größter Ausgabenbrocken sind die Transferleistungen, also Sozialleistungen und Subventionen, die rund 60 Prozent ausmachen. Das Problem dabei ist nur: Aufgrund der demographischen Entwicklung werden die Sozialausgaben in Zukunft weiter steigen. Hier liegt auch die Ursache für den Reformbedarf im Pensions- und Gesundheitssystem, die zum Ziel haben, die Kostensteigerungen einzubremsen.
Bleibt also nur der Verwaltungsbereich für nachhaltige Einsparungspotenziale. Bemüht hat sich hier in der Vergangenheit vor allem der Bund. Dies geschah in erster Linie durch Personaleinsparungen, die allerdings auch das Resultat von Ausgliederungen sind. Die meisten, wenn auch nicht alle Länder haben sich hier vornehm zurückgehalten - und teils sogar ihren Personalstand, etwa bei den Landeslehrern, erhöht.
Größter Erfolg: Fusion von Polizei-Gendarmerie
Daneben wurden aber auch Megathemen wie die Fusion von Polizei und Gendarmerie in den vergangenen Jahren umgesetzt. Betriebssteuern kassiert das Finanzministerium längst nur noch elektronisch, erläutert Staatssekretär Alfred Finz. Auch die Arbeitnehmerveranlagung ist längst online möglich, die Plausibilitätprüfung erledigt der Computer.
Zu den offenen Baustellen einer Verwaltungsreform gehört die Frage der Landeslehrer. Der Status quo, nach dem der Bund bezahlt, die Länder aber einstellen, hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass der Bund quasi blind die Wünsche der Landespolitiker finanziert hat. Im Zuge der letzten Finanzausgleichsverhandlungen ist die Regierung mit dem Vorschlag abgeblitzt, den Ländern das - jährlich zu valorisierende - Landeslehrerbudget zu übertragen. Immerhin gelang es aber über den Umweg der Einführung von Schüler/Lehrer-Verhältnissen dem Bund eine erste Kontrollmöglichkeit einzuräumen.
Landeslehrer weiter Stein am Bundes-Bein
Allerdings dreht sich nun der Streit darum, wer die Differenz bei sinkenden Schülerzahlen zu berappen hat. Für den Moment hat man sich hier auf eine Zwischenfinanzierung durch den Bund geeinigt, die später evaluiert werden soll. An diesem Punkt prallen das ökonomische Ziel, die sinkenden Schülerzahlen für Einsparungen zu nutzen, auf den politisch weit verbreiteten Wunsch, diesen Trend für eine Senkung der Klassenschülerzahlen zu verwenden. Wie das Match zwischen diesen beiden Zielsetzungen ausgehen wird, lässt sich heute noch nicht prognostizieren.
Ein großer Brocken ist die Umsetzung der Haushaltsrechtsreform. Nicht nur die Wirtschaft drängt hier bereits seit Jahren auf den Abschied von der traditonellen Kameralistik, die in ihren Ursprüngen noch auf Kaiserin Maria-Theresia zurückgeht. Im Kern geht es dabei um die Einführung von leistungs- und zielorientierten Globalbudgets für eine ganze Legislaturperiode. Damit wäre auch das Dezemberfieber endgültig Geschichte, das Jahr für Jahr dazu führt, dass gegen Jahresende nicht verbrauchte Budgetmittel irgendwie, auch für unsinnigste Dinge, ausgegeben werden, da sie sonst für die Verwaltungsstelle verfallen. Derzeit ist das Einjährigkeitsprinzip in der Verfassung verankert.
Eigentlich könnte die Haushaltsrechtsreform schon längst erledigt sein, denn es liegt ein fast fertig mit der SPÖ - deren Zustimmung bedarf es bei dieser Materie - ausverhandelter Gesetzesentwurf vor. Doch der Beschluss im Parlament scheiterte - wie so häufig in Österreich - an kleinkarierten Eifersüchteleien.
Beamten-Dienstrecht
als Großbaustelle
Abgehakt sollte auch ein neues, einheitliches Dienstrecht für den öffentlichen Dienst sein. Der ehrgeizige Plan scheiterte jedoch am Widerstand der schwarzen Beamtengewerkschaft - und wohl auch am Unwillen der Gesamt-ÖVP, einer Kernklientel so kurz vor Wahlen ein solches Reformprojekt, das natürlich mit Einbußen für die Beamten verbunden wäre, zuzumuten.
Als Work-in-progress müssen auch die Reformvorhaben in den Bereichen Gesundheit, Schul- und Gerichtsorganisation bezeichnet werden. Hier wurden in den vergangenen Jahren bereits erste Grundlagen erarbeitet und teilweise auch umgesetzt. Etwa durch die Einführung von Gesundheitsplattformen in den Ländern und der Schaffung der so genannten Bundesagentur für Gesundheit. Dennoch wird auch in den kommenden Jahren die Fortsetzung der Reformen in all diesen Bereichen auf der Agenda bleiben.
Ganz oben dürfte auch in der kommenden Legislaturperiode die Bundesstaatsreform stehen. Hier kann auf weitreichende Vorarbeiten des Österreich-Konvents zurückgegriffen werden. Was fehlt, ist jedoch das Wichtigste: Konsens zwischen ÖVP und SPÖ in entscheidenden Fragen. Ein großer Wurf ist auch vor dem Hintergrund des Interessensgegensatzes Bund-Länder nicht zu erwarten.
Also muss man sich mit kleineren Brötchen zufrieden geben: Die Festschreibung des innerösterreichischen Stabilitätspaktes, der nur im Finanzausgleich akkordiert ist, in der Finanzverfassung, eine bessere Vergleichbarkeit von Bundes- und Länderbudgets oder die Abschaffung des pragmatisierten Beamten. Aber auch dies alles ist leichter aufgelistet als in Gesetzesform gepresst.