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Und jetzt auch noch die Neutralität! ÖVP-Debatte ringt um Ernsthaftigkeit

Von Walter Hämmerle

Analysen

Irgendwie muss irgendwer die Sache mit der ÖVP-Perspektivengruppe missverstanden haben. Es vergeht keine Woche, ohne dass nicht einer der 14 Themenbereichsleiter der Selbstfindungsgruppe mit mehr oder weniger - gemessen am innerparteilichen Koordinatensystem - abstrusen Positionen auf sich aufmerksam macht.


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Das Aus für den freien Hochschulzugang der Bildungsdenker machte den Auftakt, ergänzt um das erbitterte Ja der Steirer-VP zur Gesamtschule; es folgte die Forderung nach einer automatischen Arbeitsbewilligung für ausländische Ehepartner von Staatsbürgern sowie für mit Österreichern verheiratete Asylwerber, aufgestellt von der Neigungsgruppe Integration; und nun erfreut uns ein schwarzer Europa-Nachdenker mit einem neuerlichen Vorstoß für die Abschaffung der Neutralität und lautem Nachdenken über die Vorzüge eines Nato-Beitritts Österreichs.

Zwischendurch erlaubte sich Parteichef Wilhelm Molterer höchstpersönlich, das hiesige Tabu in Sachen Gentechnologie in Frage zu stellen. Was ihm prompt einen Rüffel seines einstigen Kabinettchefs und nunmehrigen Umweltministers Josef Pröll einbrachte, der im Nebenjob als Leiter des gesamten Perspektiven-Prozesses fungiert. Schließlich gab es auch noch einen Disput Molterers mit Pröll im Interessenkonflikt zwischen dem Klimaschutz und der Erhaltung von Arbeitsplätzen (konkret jenen bei der Voest).

Wie will die Vizekanzler-Partei nur aus diesem Themen- und Stimmenlabyrinth wieder heraus- und auf eine gemeinsame Linie zurückfinden? Und dabei all die beim Publikum geweckten Erwartungen auf einen programmatischen Neustart erfüllen? Und wie will sie dabei die eigene konservative Stammklientel nicht verprellen?

Diese Aufgabenstellung ähnelt jener der berühmten Quadratur des Kreises. Nach deren Lösung wurde bekanntlich gut zweitausend Jahre vergeblich gesucht, bis das Problem schließlich 1882 vom deutschen Mathematiker Ferdinand von Lindemann für unlösbar erklärt wurde.

Ob die ÖVP im Herbst, wenn Molterer und Pröll die Ergebnisse des Perspektivenprozesses zunächst präsentieren und schließlich zu einer neuen Parteilinie destillieren wollen, zu einem anderen, positiven Ergebnis kommen wird?

Derzeit deutet einiges darauf hin, dass viele Erwartungen enttäuscht zurückbleiben werden. Die Liberalen in der Integrations- und Ausländerfrage werden etwa an jenem ehernen Grundprinzip jeder konservativen Volkspartei scheitern, nach dem der rechte Rand unter keinen Umständen aufgeben werden darf. Zumindest nicht, wenn sich diese Partei auch dem Ziel der Wählerstimmenmaximierung verpflichtet fühlt.

Molterer und Pröll werden wenig Bewegung als großen Erfolg verkaufen müssen. Das erinnert irgendwie an die Quadratur des Kreises . . .