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"Das Spital ist Österreichs liebster Zweitwohnsitz"; ein Zitat, das zwar richtig ist, aber wohl nie als Programm gedacht war.
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"Das war die Prager Sinfonie von Mozart. Danke, dass Sie bei unserer Samstagsmatinee waren - Nächstes Mal gibt es Brahms - Schauen Sie noch bei unserer Vorsorgeabteilung vorbei - Eine Koloskopie ist immer einen Besuch wert!" "Dieser Peter Rapp ist schon ein toller Moderator", denkt sich Herr S., noch immer ganz begeistert von der Akustik der neu errichteten Aula des Krankenhauses Zwettl. Es ist jetzt gerade 12 Uhr 30 und er kann noch schnell seine Enkelin von der spitalseigenen Kinderbetreuung zur Vorstellung des Kindertheaters bringen - ebenfalls ein Angebot des Krankenhauses -, bevor er seine Koloskopie (Darmspiegelung) kriegt. "Diese neuen Krankenhäuser sind schon spitze", denkt er sich, "ich freue mich schon auf nächste Woche, da lass ich mir die Galle rausnehmen"
So oder so ähnlich soll demnächst in Niederösterreichs Spitälern um Patienten gebuhlt werden. Man könnte fast meinen, es gäbe zu wenige Krankenhausaufenthalte und man müsste die Spitäler für die Niederösterreicher durch das Schaffen eines "normalen Lebensortes" attraktiver gestalten; weil sonst Patienten gar zum niedergelassenen Arzt gehen und nicht - wie erwünscht - wegen jeder Kleinigkeit gleich in Spital.
Mit dem Konzept "Wohnen" im Spital, das bis 2016 jährlich mehr als 200 Millionen Euro kosten soll, beschreitet Niederösterreich einen absolut innovativen Weg. Zwar gibt es für so ein Vorgehen keine Erkenntnisse der Versorgungsforschung - eher im Gegenteil; geht man doch davon aus, dass man Spitalsaufenthalte so selten und kurz wie möglich halten soll, weil Krankenhäuser als Infektionsquelle bekannt sind, und man daher mit Recht sagen kann, Krankenhäuser machen (auch) krank. Aber solche Gedanken dürften nicht ins Gewicht fallen. Auch ist bekannt, dass das alles viel kostet. Viel mehr als beispielsweise die ambulante Behandlung, die bei gleichem Ergebnis um 50 bis 60 Prozent günstiger ist. Aber was bedeutet schon Geld! Es sind doch nur Steuern, die man, um sie auszugeben, vorher ja nur der Bevölkerung abpressen muss. Und wenn es um Gesundheit geht, dann kann Geld doch keine Rolle spielen.
Die echte Innovation dürfte darin liegen, dass zum ersten Mal in der langen, frustrierenden gesundheitspolitischen Debatte ein Bundesland die Konsequenzen zieht und die nie ernsthaft verfolgte Idee "ambulant vor stationär" endgültig ad acta legt. Man muss wissen, dass wir uns seit den 1990ern vom internationalen Trend, die stationären Spitalsaufnahmen zu reduzieren, abgekoppelt haben. Heute gibt es hierzulande um 70 Prozent mehr Aufnahmen als im EU-Schnitt. Selbst gegenüber dem zweitplatzierten Deutschland liegen wir noch 40 Prozent höher. Und der Trend hält an. Da muss man schon den Schluss ziehen, dass der immer wieder geäußerte politische Wunsch, weniger im Spital und mehr bei den niedergelassenen Ärzten zu behandeln, eher nur ein Lippenbekenntnis war.
Umso erfrischender jetzt das neue Konzept. Denn, wenn das Krankenhaus schon des Österreichers liebster Zweitwohnsitz ist, dann ist es politisch nur korrekt, diesen auch so wohnlich wie möglich zu machen. Was das allerdings für die wirkliche und nicht nur behauptete Versorgungsqualität heißt und wie es die Steuern belasten wird, das interessiert nur Kleingeister und Gesundheitsphilosophen, die, Gott sei Dank, in Österreich nicht das Sagen haben.