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"Und niemand braucht sich fürchten"

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Das hat man davon, wenn man bei einer Fernseh-"Presse-stunde" einmal genauer zuhört. | "Und niemand braucht sich fürchten", sagte Sozialminister Erwin Buchinger am Sonntag und nahm Bezug auf den Pflegekompromiss der Koalitionsparteien zur Feier des ersten Jahres ihrer ruhmreichen Existenz.


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Ob Vizekanzler Wilhelm Molterer und Niederösterreichs Landeshaupt Erwin Pröll mit wachem Gewissen der Pflegebedürftigkeit der Menschen nachgingen oder bloß in eiskalter Kalkulation den Umfragedaten nachliefen, ist auch schon egal. Oder war alles anders und hat Buchinger das Ruder für seine Partei herumgerissen, die im Begriff war, sich beim Volk zu blamieren?

Wie die Koalition das alles hinkriegt, was hinten und vorn nicht stimmt, ist wirklich bewundernswert "Es ist theoretisch denkbar, was praktisch nicht eintritt", präzisierte Buchinger den neuen Verfassungsbogen, in dem die Koalition operiert. Das heißt übersetzt: Es wird schon nichts passieren. Verfassungshüter sind sich da nicht so sicher und dürfen es gar nicht sein, wenn sie ernst genommen werden möchten.

So betrachtet ist auch die Pensionslawine, die auf die heutigen 40-Jährigen zurollt, ein Lercherl. Fest verankert in den aktuellen Herausforderungen, arbeitet sich Buchinger vor wie eine Vortriebsmaschine im Probestollen des Semmeringbahntunnels. Aber im Vergleich zu jener kommt Buchinger gut voran, die Hackler-Regelung hat er bereits bis ins Jahr 2013 vorgetrieben und zusätzliche Anrechnungszeiten eingefügt.

Bei Kindergeld und "Licht am Tag" für Autofahrer konn te man aber nicht so einfach alles dahintreiben lassen, da mussten Gesetze repariert oder gar aufgehoben werden, was auch geschah. Ein gutes Gesetz erkennt man daran, dass es den Selbstzerstörer namens Amnestie schon eingebaut hat, falls es nicht funktioniert.

Nur ewig gestrige Politiker beschäftigen sich mit Folgekostenrechnungen, die modernen nehmen künftige Einnahmen voraus und verpflastern sie schon jetzt. Zwar steht nirgends geschrieben, dass der Staat automatisch auf jeden von den Staatsbürgern erarbeiteten Reichtum zugreifen müsste, um die Überschüsse zu verteilen. Aber das System der sozialen Planwirtschaft hat sich schon so sehr verselbständigt, dass offenbar niemand mehr etwas dabei findet, wenn Buchinger die merkwürdige Rechnung aufstellt, "dass bei einem jährlichen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, angenommen zwei Prozent, ein Spielraum besteht von etwa einprozentigen Verbesserungen der Sozialleistungen".

Das klingt sozial, ist aber extrem dirigistisch. Es müsste doch ein Politiker, auch ein sozialistischer, eine Gesellschaftsordnung für möglich halten, in der die Mehrung des Reichtums bewirkt, dass weniger Menschen Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen, oder?

Aber leider, wie Buchinger sagt, tritt praktisch nicht ein, was theoretisch denkbar ist. Oder, um mit Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zu sprechen: Schwamm darüber.