Koalition einigt sich im Eiltempo auf neues Staatsschutzgesetz.
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Wien. Und plötzlich ging es schnell. Seit Juli liegt der Entwurf für ein neues polizeiliches Staatsschutzgesetz im Parlament. Die SPÖ, aber längst nicht nur sie, hatte erhebliche Einwände gegen Teile des von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vorgelegten Gesetzesentwurfs. Nun, nach den Terroranschlägen von Paris am 13. November, ging es plötzlich schnell, nachdem die Differenzen unmittelbar danach noch offen ausgetragen wurden.
Am Samstagabend einigten sich die Klubs der beiden Regierungsfraktionen, und bereits am Sonntagmittag präsentierten die beiden Klubobleute Andreas Schieder und Reinhold Lopatka mit den beiden Sicherheitssprechern Otto Pendl und Werner Amon die Neuerungen vor Journalisten.
Mehr Befugnisse für die Behörden
Mit dem neuen Staatsschutzgesetz will sich die Republik gegen Gefahren, die von Extremisten und Terroristen ausgehen, besser wappnen. So soll erstmals der Staatsschutz als eigener Aufgabenbereich erfasst werden. Dieser soll künftig vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und weiteren neun bei den Landespolizeidirektionen anschlossenen Landesämtern angesiedelt sein. Die zentrale Behördenstruktur bleibt jedoch aufrecht.
Waren bisher – theoretisch jedenfalls – alle 27.000 Polizisten für die Gefahrenabwehr in diesem Bereich zuständig, werden es nunmehr nur noch rund 500 bis 600 Spezialisten sein. Sie sollen künftig allein für die erweiterte Gefahrenforschung zum Schutz vor verfassungsgefährdenden Angriffen sowie die Erstellung entsprechender Bedrohungsanalysen zuständig sein.
Neu ist auch der Einsatz verdeckter Ermittler, die selbst aus der Szene stammen; außerdem kommt es zu erweiterten Möglichkeiten bei Observationen, Abhörmaßnahmen sowie der Einholung von Auskünften zu IP-Adressen, Handy-Standortdaten und Reisebewegungen; die im Zuge der Ermittlungs- und Aufklärungstätigkeit gesammelten Informationen sollen bis zu sechs Jahre gespeichert werden können.
Verbesserter Rechtsschutz
Wie angesichts dieser Ausweitung der Behördenbefugnisse die Grundrechte gewahrt werden können, war Gegenstand der politischen Differenzen. Ursprünglich sah der Entwurf lediglich einen Rechtsschutzbeauftragten im Rahmen des Innenministeriums vor, die lediglich über eine juristische Ausbildung verfügen hätte sollen. Nun einigten sich SPÖ und ÖVP auf die Installierung eines Dreier-Senats (Vorsitzender plus zwei Stellvertreter), von denen zumindest einer auf eine zehnjährige Berufserfahrung als Richter oder Staatsanwalt zurückblicken können muss.
Bei wichtigen Entscheidungen haben die Senate Einigkeit zu erzielen. Ernannt werden die Senatsmitglieder auf Vorschlag des Innenministeriums via Ministerratsbeschluss, der sodann noch vom Bundespräsidenten bestätigt werden muss.
Diese Rechtsschutzbeauftragen werden, so beteuern Schieder und Lopatka, nicht nur weisungsfrei, sondern auch räumlich vom Innenministerium getrennt angesiedelt werden. Sie sind es auch, die dem zuständigen parlamentarischen Unterausschuss nicht nur auf Verlangen der Abgeordneten Rede und Antwort stehen müssen, sondern sich auch von sich aus bei Bedarf an das parlamentarische Kontrollgremium wenden können.
Auch die Frage, wie lange die gesammelten Daten und Informationen gespeichert werden dürfen, liegt in den Händen der Rechtsschutzbeauftragten. Eine erste Kontrolle erfolgt nach sechs Monaten, sodann nach zwei Jahren. Nach maximal sechs Jahren müssen die Daten gelöscht werden.
SPÖ-Klubchef Scheider sieht mit dieser Lösung eine den Grundrechtsschutz und eine umfassende parlamentarische Kontrolle bei Kampf gegen Extremismus und Terrorismus gewährleistet. Und auch ÖVP-Pendant Lopatka zeigte sich nach der Einigung rundum zufrieden. Gespräche mit den anderen Parlamentsparteien habe es bereits gegeben, im Jänner soll der Beschluss im Nationalrat erfolgen, das Gesetz sodann mit 1. Juli 2016 in Kraft treten.
Keine Annäherung gibt es übrigens bei der Frage der Wiedereinführung der heftig umstrittenen Datenvorratsspeicherung, die vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde. Die ÖVP drängt darauf, die SPÖ ist dagegen.