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Und sie wiederholt sich doch: Politik als Déjà-vu-Erlebnis aus den 1990ern

Von Walter Hämmerle

Analysen

Die Hilflosigkeit, mit der SPÖ, ÖVP und Grüne inklusive Sympathisanten dem Wahlerfolg der Freiheitlichen in Wien gegenüberstehen, ist fast schon rührend, wenn sie nicht gar so beängstigend wäre. Man hat das Gefühl, per Zeitmaschine in die zweite Hälfte der 1990er, als Jörg Haider von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilte, zurückversetzt worden zu sein. Selbst die rhetorischen Plattitüden der Wahlverlierer kennt man schon aus dieser Zeit.


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Dass sich die Geschichte des Aufstiegs der FPÖ wiederholen würde, ließ sich schon vorher absehen. Viel bemerkenswerter ist, warum keine der drei schwer geschlagenen Parteien die entsprechenden strategischen Schlussfolgerungen gezogen hat.

Weder SPÖ noch ÖVP oder Grüne verfügen heute über einen politischen Markenkern mit klarem Botschaftscharakter, anhand dessen sich die Wähler bei den drängendsten Problemen der Tagespolitik orientieren können.

Die beiden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP huldigen im Regierungsalltag einem eigennützigen Pragmatismus, bei dem programmatische Grundsätze ebenso wie sachpolitische Notwendigkeiten zu mehr oder weniger frei disponiblen Variablen degradiert werden. Die Themen Pensionen und Integration sind Musterbeispiele für diese Strategie, die sich vorwiegend an innerparteilichen Interessenskonstellationen orientiert. Ähnliches gilt aber auch für die Bereiche Schulen und Universitäten wie auch für die leidenschaftlich diskutierte Steuerfrage.

Allein, die meisten Bürger haben längst den Überblick verloren, wofür welche der beiden Großparteien weshalb steht. Und weil die Parteien selbst längst darüber den Überblick verloren haben, wird alle zwei Jahre eine große virtuelle Programmdiskussion für die interessierte Öffentlichkeit inszeniert. Selbstredend ohne nachhaltige Folgen für das politische Profil.

Den Grünen haben weder Klimawandel, Ökokatastrophen noch Finanzkrise geholfen, von ihrer Fixierung auf die Rolle als Antipoden der Freiheitlichen wegzukommen. Damit können sie zwar ihre Stammwähler zufriedenstellen, für die Eroberung neuer Wählerschichten ist dieses eingeschränkte Politikangebot allerdings deutlich zu eingeschränkt.

Im Grunde genommen ist Wahlkampf ja eine einfache Sache: Eine Partei muss ein glaubwürdiges Personalangebot mit einer glaubwürdigen inhaltlichen Botschaft präsentieren, die auf die subjektiven Probleme der Bürger eine klare Antwort parat hält.

Die Einzigen, die das derzeit offensichtlich halbwegs auf die Reihe bekommen, sind die Freiheitlichen. Die Schuld daran sollten SPÖ, ÖVP und Grüne besser nicht bei den Blauen oder - noch schlimmer - bei den Wählern suchen. Das war nämlich genau die vorherrschende Reaktion auf den Aufstieg der Haider-FPÖ Ende der 1990er Jahre. Höchste Zeit für einige sachdienliche neue Ideen.