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Und was macht Renzi?

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik

Nach dem Verfassungsreferendum in Italien richten sich alle Blicke auf den Ministerpräsidenten.


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Rom. Wie reagiert Matteo Renzi? So lautete nach dem Verfassungsreferendum am Sonntagabend in Italien die drängendste Frage. Der italienische Ministerpräsident hatte in ausgelassener Stimmung am Morgen um elf Uhr im toskanischen Städtchen Pontassieve bei Florenz seine Stimme abgegeben. Am Nachmittag reiste der Premier nach Rom, um in seinen Amtssitz im Palazzo Chigi den Ausgang der Abstimmung zu verfolgen.

Während der 41-jährige Renzi den Ausgang der Regionalwahlen im Sommer 2015 noch entspannt vor der Playstation abgewartet hatte, war zu bezweifeln, dass er auch am Sonntagabend die Muße dazu haben würde. Zu viel hing vom Ausgang des Referendums ab - auch für Renzi persönlich. Bis 23 Uhr am Sonntagabend konnten etwa 47 Millionen wahlberechtigte Italiener abstimmen. Ein Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor, erste Exit-Polls sahen das "Nein"-Lager vorne. Die Wahlbeteiligung lag am Sonntagmittag bei etwa 20 Prozent - und damit vergleichsweise hoch.

Schon vor Bekanntgabe des Ergebnisses am späten Sonntagabend war klar, dass der Fortgang der Ereignisse in Rom von den Reaktionen Renzis auf das Wahlergebnis abhängen würde. Eigentlich entschieden die Italiener über die von der Regierung vorgeschlagene Verfassungsreform. Beobachter waren sich einig, dass der Ausgang der Abstimmung in jedem Fall Konsequenzen für die Regierung in Rom, aber auch für das politische und wirtschaftliche Gleichgewicht in der gesamten EU haben würde. Renzi hatte für den Fall einer Niederlage mehrfach mit seinem Rücktritt gedroht.

In der Sache hatten die Italiener darüber zu entscheiden, ob der Senat im Vergleich zum Abgeordnetenhaus in eine nachrangige Kammer des Parlaments umgewandelt werden soll. Bislang waren beide Kammern gleichberechtigt. Außerdem ging es um die Neuordnung der Kompetenzen zwischen Zentralstaat und Regionen. Laut Befürwortern der Reform würde das parlamentarische System dadurch vereinfacht, die Exekutive stabilisiert. Die Gegner befürchteten, die Regierung könnte dann zu viel Macht gegenüber dem Parlament bekommen.

Staatsschulden von 133 Prozent des Bruttoinlandsproduktes

Einig waren sich internationale Beobachter darin, dass der Ausgang des Referendums Konsequenzen auch für die wirtschaftliche Stabilität in der EU haben könnte. Der italienische Wirtschafts- und Finanzminister Piercarlo Padoan wurde am Montagmorgen in Brüssel zum planmäßigen Treffen der Eurogruppe erwartet. Bereits in den Tagen vor dem Referendum hatte der 66-Jährige die im Hinblick auf den mit 133 Prozent des italienischen Bruttoinlandsproduktes verschuldeten Staatshaushalt teilweise nervösen internationalen Finanzmärkte zu beruhigen versucht. Sorgen machen sich Experten insbesondere um den angeschlagenen italienischen Bankensektor, den politisch unstabile Verhältnisse weiter schwächen könnten.

Für den Fall eines Rücktritts von Premier Renzi galt der international angesehene Padoan als einer seiner möglichen Nachfolger. Bei einer Ablehnung der Reform durch die Italiener könnte Renzi sein Amt niederlegen. "Wenn ich verliere, trete ich zurück", hatte der Premier vor Monaten für den Fall angekündigt, dass die Verfassungsreform scheitern würde. In den Tagen vor dem Referendum relativierte Renzi diese Position. Sollten die Befürworter der Reform nur knapp unterliegen, könnte der Ministerpräsident sogar im Amt bleiben. So lauteten die aus dem Umfeld Renzis genährten Spekulationen in den vergangenen Tagen.

Beobachter erwarteten, dass sich der Premier nach dem Referendum auch im Fall eines Erfolges mit Staatspräsident Sergio Mattarella beraten würde. Der italienische Staatspräsident erteilt das Mandat zur Regierungsbildung und nimmt den eventuellen Rücktritt des Premiers an. In seinem Ermessen liegt es auch, die beiden Parlamentskammern aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Mattarella hatte in den Tagen vor dem Referendum zu verstehen gegeben, dass er sich auch im Fall eines Sieges der Reform-Befürworter gegen Neuwahlen und für das reguläre Ende der Legislaturperiode im Februar 2018 einsetzen werde. Wie es hieß, könnte der siegreiche Renzi versucht sein, einen politischen Erfolg beim Referendum in vorgezogenen Neuwahlen auszunutzen.

Laut Umfragen lagen die Gegner der Reform vor dem Referendum lange mit solidem Vorsprung in Führung. Die letzten Erhebungen durften allerdings nur bis zum 18. November veröffentlicht werden. In der jüngeren Vergangenheit lagen die Umfrageinstitute mit ihren Vorhersagen auffällig oft daneben. Den Erfolg der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung bei den italienischen Parlamentswahlen 2013, den Brexit oder den Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen prognostizierten die Institute nicht.

Wahlbeteiligung bei Auslandsitalienern hoch

In den Tagen vor dem Referendum wurde mit einem knappen Ausgang gerechnet. Fraglich war insbesondere, wie stark sich Wähler in Süditalien und junge Wähler beteiligen würden. Beide Gruppen galten als mehrheitlich kritisch gegenüber der Reform. Insbesondere das Votum der knapp vier Millionen Auslandsitaliener könnte entscheidend sein. Einigen Anzeichen zufolge war die Wahlbeteiligung unter ihren hoch. Gegner der Reform hatten angekündigt, das Wahlergebnis wegen Unregelmäßigkeiten vor Gericht anzufechten, sollten die Auslandsitaliener entscheidend für den Ausgang sein.

Am Sonntag stimmten die Italiener über eine bereits vom Parlament beschlossene Verfassungsreform ab - und entschieden damit auch über die politische Zukunft der Regierung. Premier Matteo Renzi hatte mehrmals angekündigt, zurücktreten zu wollen, sollte eine Mehrheit der Wahlberechtigten seine Reform ablehnen. Deren Ziel ist eine Vereinfachung des trägen legislativen Systems: Der Senat soll zum Bundesrat mit weniger Macht reduziert, das Abgeordnetenhaus gestärkt werden. Insgesamt sollen im Zuge der Reform 47 Paragrafen geändert werden. Der Senat soll von 135 auf 100 Mitglieder schrumpfen und nur mehr über Verfassungs- und EU-Fragen abstimmen können. Die Wahllokale waren von 7 bis 23 Uhr geöffnet, erste Hochrechnungen waren für 0.30 Uhr angekündigt.

Referendum in Italien