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Und wie sicher ist mein Job?

Von Clemens Neuhold

Wirtschaft

Großpleiten verstärken im Wahljahr die Angst um den Job - die Lage spitzt sich zu.


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Wien. Noch ist das gesamte Ausmaß nicht absehbar. Von der finanziellen Dimension ist der Zusammenbruch des Baukonzerns Alpine die größte Pleite in der Zweiten Republik; was die menschliche Dimension betrifft, laufen hektische Bemühungen, den Schaden noch einzugrenzen.

Die Fakten: Sozialminister Rudolf Hundstorfer beziffert die Zahl der direkt Betroffenen mit 4900. Für sie werden in acht Bundesländer Arbeitsstiftungen eingerichtet, in denen Pleiteopfer bis zu vier Jahre lang umgeschult werden können und Arbeitslose beziehen. Für einen Großteil dieser 4900 muss es aber gar nicht so weit kommen. "Am Bau ist Arbeit da", sagt der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf. "Die Baustellen laufen", sagt auch Hundstorfer, "die Alpine Österreich ist gesund." Sollte ein anderer Bauriese ihr Geschäft inhalieren, könnten die Arbeiter mit einem anderen Logo am Helm weiterarbeiten.

Die große Unbekannte sind aber die Zulieferer und Subunternehmen. Von ihnen gibt es in ganz Österreich 1300, sagt Betriebsratschef Hermann Haneder. Alleine in Niederösterreich sind 160 Betriebe mit 2400 Mitarbeitern betroffen. Legt man das auf ganz Österreich um, geht es um weit über 10.000 Arbeitsplätze. Diese sind freilich nur dann wirklich bedroht, wenn eine Firma existenziell an den Aufträgen der Alpine hängt. "Selbstverständlich gelten die Stiftungen auch für Zulieferer", beruhigt Kopf.

Es wird ungemütlich

Mit der Alpine wird die Zahl der Firmen, die pleite gehen oder Mitarbeiter abbauen, länger - und das wenige Monate vor der Nationalratswahl. Es begann mit Gerüchten, wonach bei Siemens hunderte Jobs wackeln, ging weiter mit der Pleite der traditionsreichen Elektrokette Niedermeyer und dem Jobabbau beim Wäschehersteller Triumph. Und beim Schlecker-Nachfolger Dayli sind seit Ende Mai 560 Mitarbeiter beim AMS angemeldet, in zwei Wochen endet ihr Kündigungsschutz. Insgesamt arbeiten bei der Drogeriekette in Österreich rund 3500 Mitarbeiter. Der Dayli-Eigentümer braucht dringend frisches Geld, denn die heimischen Banken verweigern eine Finanzierung. Seine Lieferanten hat Dayli um einen Aufschub der Zahlung ersucht. Jetzt wird seit Wochen mit einem ausländischen Investor verhandelt. Die Mai-Gehälter hat die Kette bezahlt. In zehn Tagen werden die Löhne für Juni fällig.

Trauriger "Wahlschlager"

Für die Politik dürfte spätestens mit der Alpine-Pleite der Wahlkampfschlager feststehen: Der Arbeitsmarkt. Die Kampagnen sind zwar bereits auf Arbeit, Wirtschaft oder leistbares Leben fokussiert. Doch die Parteistrategen werden sie für die Wahl noch nachschärfen. Denn die Menschen verlangen in Zeiten der Pleiten Antwort und Perspektive.

Die von der Großpleite erschütterte Baubranche hofft jetzt auf eine Investitionsoffensive. Damit könnte die Politik zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits schafft sie Jobs, andererseits lindert sie die Wohnungsnot -die hohen Mieten hängen auch damit zusammen, dass Wohnraum fehlt. Das strategische Dilemma: Die Investitionsoffensive fordert jetzt so ziemlich jeder Partei. Das noch größere Dilemma: Die Mittel dafür fehlen.

Der budgetäre Spielraum ist nach fünf Krisenjahren so eng wie noch nie. Österreich muss langsam runter vom Schuldenpfad. Neue Milliardenkosten bei der Kärntner Hypo und Verzögerungen bei der Finanztransaktionssteuer sind aber zu zwei Steine, die diesen Weg verstellen. Die Alpine-Pleite selbst kann den Staat wegen diverser Haftungen bis zu 150 Millionen Euro kosten.

Nichtstun schein aber ebenfalls keine Option für die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ, denn das stärkt ihre Herausforderer. "Dort, wo Jobs abgebaut werden oder sich Menschen vom Jobverlust bedroht fühlen, verdreifacht sich der Anteil der Protestwähler", sagt Sozialforscher Günther Ogris.

Ein letztes Mal gemeinsam?

Eigentlich arbeitet die Koalition seit Wochen an einer Offensive für leistbares Wohnen, doch wegen interner Streitereien und Eifersüchteleien steht das Programm auf der Kippe. Keiner will dem anderen einen Erfolg gönnen, der im Wahlkampf zieht. Die Alpine könnte dem Vorhaben, neue Wohnungen anzustoßen, aber den nötigen Schub verleihen.

Neben der Konjunkturpolitik wird die Bildungsdebatte noch stärker ins Zentrum rücken. Denn unqualifizierte Mitarbeiter treffen Pleiten in der Regel zuerst. So steigt die Zahl arbeitsloser Leiharbeiter derzeit markant.

Um die ehemaligen Fachkräfte der Alpine macht sich AMS-Kopf die geringsten Sorgen.