Analyse: Nichts entzweit ÖVP und SPÖ so sehr wie die Vermögenssteuern. Dabei haben Experten längst eine Lösung.
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Wien. Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) versuchte am Dienstagabend in der "ZiB2" ihre Ideen für eine Vermögenssteuer zu skizzieren. Viele Fragen blieben offen. Am Tag danach präzisierte ihr Parteikollege Bundesminister Josef Ostermayer. Und sofort reagierten die Gegner der Vermögenssteuer-Pläne mit einem kräftigen Njet. Am vehementesten wirft sich ÖVP-Wirtschaftsbundpräsident Christoph Leitl dagegen ins Zeug. Er schwor ÖVP-Parteichef Michael Spindelegger schon vor der Regierungsbildung auf die rote Linie gegen die roten Millionärssteuern ein. Und er wird wohl keinen Millimeter weichen. Genau an diesem Punkt könnte am Ende sogar die Koalition zerbrechen, denn die rote Gewerkschaft hat das zur Fahnenfrage erhoben. Rauf mit den Reichensteuern, runter mit den Steuern auf Lohn. "Geht nicht, gibt’s nicht."
Keine neue Steuer
Geht, meinen Experten - ohne dass einer der beiden Kontrahenten das Gesicht verliert. Mit einer höheren Grundsteuer könnte man den Gordischen Knoten zumindest ein Stück weit durchtrennen. Hier ist der Satz von Leitl interessant: "Wir wollen weniger, aber nicht andere Steuern." Eine "andere" Steuer wäre die Grundsteuer nicht. Sie ist seit Jahrzehnten fixer Teil des Steuerkuchens. Zugleich ist sie eine Vermögenssteuer und das ist der Gewerkschaft wichtig. Aus diesem Grund hört man aus der Wirtschaftskammer mitunter bereits positive Töne, was eine moderate Anhebung betrifft. Sogar die Neos, die alles andere als Fürsprecher neuer Steuern sind, sehen das Thema entspannt. "Wir sind gegen Denkverbote und keine Dogmatiker. Wenn das Gesamtpaket mit Reformen bei Pensionen, Föderalismus und Gesundheit stimmt, ist zum Beispiel eine Erhöhung der Grundsteuer für uns vorstellbar", sagt Neos-Chef Matthias Strolz zur "Wiener Zeitung".
Eingefroren
Ein wesentliches Argument für eine höhere Grundsteuer ist ihre Geschichte. Während Lohn- und Umsatzsteuer sprudelten, versiegte die Quelle der Grundsteuer. Grund: Seit den 70ern wurde ihre Berechnungsbasis, die sogenannten Einheitswerte für Grund und Boden, nicht mehr angepasst. Deswegen steuert sie nur noch schüchterne 630 Millionen Euro zum Gesamtkuchen bei.
Finanzrechtsprofessor Werner Doralt mahnt die Politik seit Jahrzehnten, auf die einst etablierte und akzeptierte Steuer nicht zu verzichten: "Kein Mensch würde sich aufregen, wenn die Grundsteuer seit den 70er Jahren zumindest im Wert angepasst worden wäre. Dann brächte sie heute das dreifache Aufkommen." Zumindest eine Verdoppelung des Grundsteueraufkommens auf 1,5 Milliarden Euro hält er für politisch locker machbar. Dann bräuchte es natürlich weitere Milliarden aus Erbschaftsteuern (SPÖ, Grüne) oder entschlossene Sparprogramme (ÖVP). Aber ein Schritt aufeinander zu wäre getan.
"Fragen Sie die Leute, wie viel Grundsteuer sie bezahlen. Die meisten werden es gar nicht wissen", zeigt sich Doralt überzeugt. Bei einer Eigentumswohnung am Wiener Rathausplatz im Wert von 1,5 Millionen beträgt der Einheitswert 10.000 Euro und die Grundsteuer 100 Euro jährlich. Ob da ein Hunderter mehr schmerzen würde?
"Das ist überfällig"
Auch die Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller sagt: "Es ist bedauerlich, dass die Grundsteuer keine Rolle in der Steuerdebatte spielt. Sie wäre leicht durchzusetzen. Außerdem ist die Anpassung der Einheitswerte überfällig, um eine weitere Erosion (durch die Inflation, Anm.) zu vermeiden."
Warum die Grundsteuer trotzdem ein Stiefkind im Ehestreit der großen Koalition bleibt, hat mehrere Gründe. Die ÖVP will die Bauern nicht stärker belasten. Andererseits will die SPÖ nur Millionäre zur Kasse bitten, die Grundsteuer ist aber eine Massensteuer. Auch Häuslbauer und Mieter zahlen sie (über den Umweg der Betriebskosten). Zu guter Letzt wollen sowohl ÖVP wie SPÖ die höheren Einnahmen für den Bund. Die Grundsteuer fließt aber an die Gemeinden.
Einwand Bauern: Hier verweist Schratzenstaller darauf, dass die Bauern Grundsteuer Kategorie A zahlen und alle anderen Grundsteuer B. Sie sieht kein Problem darin, nur B zu erhöhen. Von dort kommen auch über 95 Prozent der Einnahmen.
Einwand Massensteuer: Doralt meint, dass Reiche mit einer Villa durch eine höhere Grundsteuer mehr in den Steuertopf einzahlen als ein kleiner Häuslbauer. Mit den Einnahmen sollen die Lohnsteuern gesenkt werden. Wenn der Häuslbauer durch die Reform der Einkommensteuer mehr zurückbekommt als die Erhöhung der Grundsteuer ausmacht, sieht Doralt kein Problem.
Einwand Betriebskosten: Hier meint der Professor, "im ersten Schritt müsste die Grundsteuer aus den Betriebskosten rausgenommen werden". Denn die Praxis stamme aus einer Zeit, als die Vermieter wegen des Friedenszinses kaum Mieteinnahmen hatten. Also holte sich dieser zumindest die Grundsteuer vom Vermieter zurück. Angesichts der Mietpreisentwicklung sei das nicht mehr gerechtfertigt. Dass die Vermieter die Kosten 1:1 auf die Miete draufschlagen, kann er sich in der Praxis nicht vorstellen. Für die Gemeinde Wien mit ihren Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen würde das zunächst einen Einnahmenentfall bedeuten, bis die Steuer später über die höhere Grundsteuer zurückfließt. Und das ist, weiß Doralt, ein weiterer Grund für die Blockade.
Einwand Gemeindesteuer: Für Schratzenstaller ist das Problem leicht zu lösen. Im Zuge des nächsten Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern überweist der Bund jenen Betrag weniger an Länder und Gemeinden, den diese durch die höhere Grundsteuer extra einnehmen.
Sogar die EU-Kommission drängt Österreich zu höheren Grundsteuern, um so die Lohnsteuersenkung zu finanzieren. Doch ÖVP und SPÖ entfernen sich im Ringen um die Vermögenssteuer lieber medial begleitet weiter voneinander und ziehen den Gordischen Knoten enger.