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Und wieder - kranke Junge

Von Ernst Smole

Gastkommentare

Dass die Kinder durch die Eltern gesund ernährt werden, ist im Tierreich, zu dem die Menschen biologisch zählen, durch den Arterhaltungstrieb gesichert. Die erschreckenden Zahlen über rauchende, trinkende und völlernde junge Menschen und tatenlos zusehende Eltern lässt den Verdacht keimen, dass manche biologische Reflexe heute nicht mehr funktionieren.


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Da der Körper durch die "Naturprodukte" Alkohol und Nikotin je früher desto verheerender geschädigt wird, stellt sich die Frage, bis zu welchem Alter Kinder "lenkbar" sind. War dies früher meist bis zum Zeitpunkt des Auszugs von zuhause der Fall, so werden Kinder heute oft schon mit zwölf Jahren in die "Mündigkeit" entlassen oder sogar dorthin gedrängt.

Elternbequemlichkeit ist der Grund: "Es ist ja dein Körper, den du schädigst, nicht meiner." Der Hinweis auf den 90-jährigen pumperlgesunden, trinkenden Kettenraucher in der Ahnenreihe beruhigt.

Diese Sicht ist nicht nur in bildungsfernen Schichten üblich. Es braucht Zeit der Eltern, in den Kindern Interesse für Zusammenhänge zwischen ihrem Lebensstil und den erst in Jahrzehnten auftretenden Folgen zu stimulieren. Das Fragen der Kinder wird oft als lästig empfunden - es ist aber der Schlüssel dazu, dass Kinder sich in der Welt zurechtfinden.

Viele Eltern zeigen wenig Bereitschaft, die Geduld für das gemeinsame Finden der Antworten aufzubringen. Es wird nach der Schule gerufen, die mit den Kernaufgaben Lesen, Schreiben, Kommunizieren und Rechnen überfordert ist und sich zu Recht gegen eine weitere Überfrachtung mit Elternaufgaben wehrt.

Alle Medien predigen gesunde Ernährung. Diese Informationen kommen bei jungen Menschen kaum an, da sie als inflationär und anonym empfunden werden. Nur die emotionale Übermittlung durch Angehörige und durch gleichaltrige Bezugspersonen hat Aussicht auf Erfolg.

Oft herrscht in den Familien eine Kultur der Konfliktvermeidung. Die frühzeitige Flucht aus dem autoritären Elternhaus gibt es so heute kaum noch. Statistiken sagen, dass Kinder heute so lange wie noch nie zuhause wohnen. Dies lässt vermuten, dass es zwischen Kindern und Eltern weniger böse Konflikte gibt als je zuvor. Das stimmt hoffnungsfroh.

Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) sagte: Erziehung ist Liebe und Vorbild. Ersteres darf zwischen Eltern und Kindern vorausgesetzt werden. Die effizienteste Gesundheitserziehung ist es, wenn die Eltern sich nicht mit Fett, Alkohol und Nikotin vollhageln und auch nicht - was viel erschütternder ist - zwar selber gesund leben, aber tatenlos zusehen, wie sich ihre Kinder ruinieren. Ja, her mit einer neuen familiären Streitkultur - die Gesundheit der Kinder muss jeden heftig/liebevollen Konflikt wert sein!

Ernst Smole lehrt Allgemeine Mathetik (die Lehre vom Lernen) und Didaktik an der Konservatorium Wien Privatuniversität