Michael Häupl hat angerufen. | Er hat sich aber nicht persönlich gemeldet, sondern nur in Form einer unverwechselbaren Tonspur. Soll ich ihn zurückrufen oder klagen?
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Die Telefongeier werden immer unverschämter. Versandhäuser und Finanzhaie missbrauchen private Telefonnummern für Keilaktionen. Neuerdings sind vor allem Telekomfirmen am Werke. Sie haben es leicht, denn sie sitzen nicht nur am Verteiler, sondern haben auch alle Telefonnummern zur Hand. Die Telekom-Rivalen führen derzeit offenbar einen Feldzug gegen die Telekom Austria, um ihr die Festnetzkunden abspenstig zu machen. Auf den Displays der Belästigten erscheint statt einer Telefonnummer des Anrufers "Unbekannt".
Unter "Unbekannt" meldete sich jetzt überraschend bei mir Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Er stellte sich mit Namen vor, und ich sagte "Guten Tag", aber er ließ sich nicht unterbrechen, sondern spulte ein auf Wien zugeschnittenes Wahlprogramm ab. Es war ein Tonband. Für 110.000 Gemeindemieter sei ein Mietenstopp beschlossen worden, also keine Rede von behaupteten Gebührenerhöhungen. Darauf folgte ein infantiles Tastendruckspiel der SPÖ, wahlweise für Taste 1 oder 2: Ob mir lieber wäre, dass nur ein Computer oder der Nationalrat über eine Pensionsreform entscheide.
Der Herr Bürgermeister sprach wie üblich etwas gehetzt, so als wollte er es hinter sich bringen. Rein beruflich hätte ich nichts dagegen, von Häupl angerufen zu werden, ich habe ihn ja auch schon interviewt. Aber der Tonbandauftritt, mit dem dieser Tage wohl zehntausende verdutzte Wiener Bürger beglückt werden, hat etwas Jenseitiges an sich und verstößt zudem gegen das Gesetz. Telefonische Werbeaktionen können mit bis zu 37.000 Euro Verwaltungsstrafe belegt werden, erklärte mir ein für Konsumentenschutz im Sozialministerium zuständiger Experte.
Möglicherweise wenden inzwischen alle Parteien in der Not des Wahlkampfes solche Kommunikationsmethoden an. Dann wird mich morgen vielleicht das Tonband Heinz-Christian Straches oder Alexander Van der Bellens erreichen. Und wenn ich an die Sprechpausen denke, mit denen ich bei Fritz Dinkhauser rechnen müsste, möchte ich schon deswegen seinen Anruf verpassen.
Grundsätzlich will ich aber die elektronische Pilzkrankheit ersticken, die überall grassiert, wo Telefonleitungen liegen und Handymasten stehen. Sie wird im Telekommunikationsgesetz unter dem Stichwort "unerbetene Nachrichten" diagnostiziert. Unerbetene elektronische Post - Telefonanrufe, SMS, Faxe, Mails - ist laut Paragraf 107 unzulässig, wenn "die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt oder an mehr als 50 Empfänger gerichtet ist". Da Wahlwerbung zweifellos Werbung ist und die SPÖ, Sektion Rathaus, Häupls elektronische Kommunalpredigt ja nicht wegen mir allein aufgenommen haben wird, treffen beide Voraussetzungen zu.
Was mache ich jetzt also? Klagen? Das ist ja immer die Crux bei einem derartigen Anruf, bei dem "die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine authentische Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann".
Häupl muss seine Tonkonserve ja nicht selber ins Verteilernetz gewählt haben. Soll ich ihn anrufen? Wenn schon, dann würde ich das auch nur als sprechendes Tonband tun. Das ist mir aber zu kompliziert.
Also bleibt es bei dieser Rückantwort mit authentischer Mailadresse und ohne Werbeabsicht. Im Gegensatz zur SPÖ-Werbung ist sie selbst im Fall einer Klage straffrei. Auf Nicht-Wiederhören!