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Unergründlich

Von Bernd Vasari

Politik
Im Hintertreffen befindet sich Wiens Ökosystem für Start-ups.
© Ana Barros

Studie bestätigt: Wien ist als Standort für Start-ups im internationalen Vergleich nicht relevant.


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Wien. Steigende Arbeitslosenzahlen und eine schwächelnde Wirtschaft: Der Wirtschaftsstandort Wien erlebt derzeit schwierige Zeiten. Ein Grund dafür sei das schwach ausgeprägte Ökosystem für Start-ups, dass Städten wie Berlin, London oder Paris hinterherhinken würde. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von den Unternehmensberatern Roland Berger und der Start-up-Plattform Pioneers. Mehr als 50 Interviews wurden dafür mit erfolgreichen Vertretern aus der Wirtschafts- und Gründerszene geführt und 318 Start-ups mit 2392 Mitarbeitern beleuchtet.

"Wien wird international nicht als Start-up Hub wahrgenommen", sagt Andreas Tschas, Gründer und CEO von Pioneers. Rudolf Kemler, Seniorpartner von Roland Berger, fügt hinzu: "Es ist höchste Zeit, die Kräfte zu bündeln." Für ihn ist fehlender Mut dafür ausschlaggebend, dass Wien wirtschaftlich zurückfällt.

Neben der Problemfindung wurden in der Studie mehrere Handlungsempfehlungen erörtert. Mit diesen könnte das Wiener Ökosystem auf europäisches Spitzenniveau gehoben werden, heißt es.

Kemler nimmt dabei die Großunternehmen in die Pflicht, die mehr investieren sollten. In der Gründerphase der Start-ups würde dies schon gut funktionieren. Eine Lücke gebe es jedoch in der Phase, in der Jungunternehmen expandieren wollen. Um diese Lücke zu schließen, wird etwa der Zusammenschluss mehrerer großer Unternehmen zur Auflage eines Start-up-Fonds in der Größe von 100 bis 300 Millionen Euro gefordert.

"Früher waren in dieser Phase die Banken zur Stelle. Seit Basel III ist das aber nicht mehr möglich." Mit Basel III (2014) reagierte die Europäische Union auf die Wirtschaftskrise von 2008 und verschärfte die Banken-Eigenkapitalvorschriften.

Zentraler Start-up-Campus gefordert

Weiters sollten sich die Großunternehmen bei der Errichtung eines zentralen Start-up-Campus engagieren. Eine Jury soll dabei über die Aufnahme entscheiden, um dann Gründer, Unternehmer, Universitäten und Investoren miteinander zu verknüpfen.

"In Österreich ist genügend Kapital vorhanden, um größere Finanzierungen zu leisten", sagt Tschas. Um privates Kapital freizuspielen, müssten aber die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Eine Möglichkeit wäre die Einführung eines Beteiligungsfreibetrages von 100.000 Euro zur Förderung von Privatinvestitionen in Start-ups.

Neben den Großunternehmern ist laut Studie auch die Politik gefordert. Um die Kosten für ein neu gegründetes Unternehmen zu senken, sollen die Lohnnebenkosten für Start-ups für die ersten drei Mitarbeiter in den ersten drei Jahren um 50 Prozent gesenkt werden. Ab dem dritten Jahr könnte man die Steuern dann progressiv anheben.

Auch die Überarbeitung des Gesellschaftsrechts wird empfohlen. Zur Erleichterung von Beteiligungen und Ausgliederungen von Eigentümern und Mitarbeitern. Zudem sollte die Verfahrensdauer zur Erlangung einer Rot-Weiß-Rot-Karte auf maximal zwei Wochen verkürzt werden.

Hohe Erwartungen an neuen Bundeskanzler Kern

Als dritter Akteur werden die Entscheidungsträger in Wissenschaft und Forschung angesprochen. Statt an Patenten wird wissenschaftlicher Erfolg in Wien an der Zahl der Publikationen gemessen, kritisiert Tschas. Dabei sollte die Kommerzialisierung wissenschaftlicher Forschung im Vordergrund stehen. Eine kurzfristige Maßnahme wäre die Einführung von Sabbatical-Programmen für wissenschaftliche Mitarbeiter. In den sechs Monaten hätten sie Zeit für die Kommerzialisierung ihrer Forschung.

Als alarmierend werten die Studienautoren, dass Wien nicht im renommierten "Compass Report", einem jährlichen Ranking zu globalen Start-up-Metropolen, vertreten ist.

Im Ressort der zuständigen Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SPÖ) ist man offen für Verbesserungen in der Gründerszene. "Wir haben uns als rot-grüne Stadtregierung vorgenommen, im Bereich von einfacheren Verfahren, Genehmigungen, Verordnungen und Entbürokratisierung ein Stück weiterzukommen", sagt Brauner-Sprecher Ferdinand Pay. Unterstützt werde die Start-up-Szene bereits etwa durch das Format "Gründen in Wien", den Tag der offenen Tür der Wiener Start-up-Szene, aber auch durch die Kooperation mit dem Pioneers Festival.

Die Forderungen der Studie sollen laut Tschas und Kemler vor allem auf Bundesebene angesprochen werden. Unter Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) habe es keinen Ansprechpartner gegeben, heißt es. Daher freut man sich nun, dass mit Christian Kern ein Mann aus der Wirtschaft Bundeskanzler geworden ist.

In Hinblick auf kommende Gespräche, sagt Kemler: "Es gibt dicke Bretter zu bohren, wenn es um die verbesserten Rahmenbedingungen geht." Und: "Wir wollen an die Spitze Europas."