Vorab zwei Prämissen. Erstens: Zu allen Zeiten fanden Frauen Mittel und Wege, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden. Und zweitens: Es waren vor allem Frauen aus den weniger begüterten Schichten, die bei einem unsachgemäßen Abbruch Gesundheit und Leben riskierten und allzu oft auch verloren. Und sie waren es auch, die vor Gericht kamen und bestraft wurden. Vermögende Frauen konnten es sich in der Regel "richten".
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Diese Erkenntnisse führten vor drei Jahrzehnten nach jahrelangem Ringen zur Fristenregelung. In der letzten Zeit ist aber mehr und mehr eine politische Grundstimmung zu registrieren, die radikalen Abtreibungsgegnern Mut macht. Dass sich - wie letztens Weihbischof Andreas Laun - österreichische Würdenträger der katholischen Kirche mit einer gewissen Regelmäßigkeit gegen die Fristenregelung zu Wort melden, ist nichts Ungewöhnliches. Dass sich ein Volksanwalt, nämlich Ewald Stadler von der Strache-FPÖ, für ein Überdenken der Fristenregelung ausspricht, ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Höchst bedenklich und beunruhigend ist aber die verantwortungslose Leichtfertigkeit, mit der die ÖVP an die Sache herangeht. Der Salzburger ÖVP-Obmann Wilfried Haslauer drohte, die Koalition platzen zu lassen, sollte SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller Abtreibungen in Landeskrankenhäusern zulassen. Ein TV-Werbespot gegen Abtreibung war im ORF zu sehen - verantwortlich dafür ist die "Österreichische Lebensbewegung", eine Organisation, die für sehr einseitige Schwangerenberatung bekannt ist.
Finanziell unterstützt wurde der Spot vom ÖVP-Frauenministerium. Gudrun Kugler-Lang, eine junge Juristin auf der ÖVP-Liste für die Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen, entpuppte sich als ehemaliges Vorstandsmitglied von "Pro Life", einer fundamentalistischen Anti-Abtreibungsorganisation. Die ÖVP sah keinen Grund, Kugler-Lang von der Liste zu streichen.
Hier wird ein hoch-gefährliches Klima erzeugt, mit dem man radikalen Abtreibungsgegnern politischen Rückenwind schafft. Wer sich nicht vorstellen kann, in welche Richtung das geht, dem sei geraten, sich Publikationen fundamentalistischer Anti-Abtreibungs-Organisationen anzusehen, auf denen gänzlich unverblümt der Boden für den unerträglichen Psychoterror aufbereitet wird, dem hilfesuchende Frauen beim Betreten von Abtreibungskliniken in Wien, Linz oder Graz ausgesetzt sind. Bezeichnend ist, dass diese Organisationen zwar die Möglichkeit auf Schwangerschaftsabbruch unterbinden wollen, gleichzeitig aber verschweigen, wie wichtig kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln und Aufklärung sind.
"Wehret den Anfängen" kann es hier nur heißen, denn Unterstützung von Seiten der Politik ist für jede Art von Fundamentalismus völlig fehl am Platz.
Johanna Dohnal (SPÖ) war ab 1979 Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen und von 1990 bis 1995 erste Frauenministerin in Österreich.