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Die Haushaltshilfe aus Polen, der Kellner aus Ungarn, der Bauarbeiter aus Kroatien, der Mann vom Reinigungsdienst aus Serbien, der Stallbursche aus dem Kosovo. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. In irgendeiner Weise nutzt wohl jeder die Dienste von Menschen, die aus Zentral-, Ost- und Südosteuropa gekommen sind, um in Österreich oder einem anderen EU-Land zu arbeiten. Meistens in Berufen und Beschäftigungsverhältnissen, für die sich kaum einheimische Arbeitskräfte finden lassen. Beliebt sind sie dennoch nicht. Die Angst, wegen der Billigkonkurrenz den eigenen Job zu verlieren, ist groß.
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"Möchten Sie Tee oder Kaffee", fragt Stanislav in fast schon perfektem Englisch die Urlauber auf der Horse Holiday Farm im Nordwesten Irlands. Stanislav bedient sie jeden Tag mit der selben Freundlichkeit. Er ist zufrieden: "Ich komme aus der Ostslowakei. Dort gibt es fast keine Arbeit", erklärt er. Einen noch weiteren Weg hat Sergej hinter sich: Er ist aus Sibirien gekommen, um hier die Saison über als Stallbursche zu arbeiten. Und Abends im Restaurant verrät der Akzent einiger Kellnerinnen, dass ihre Heimat wohl deutlich (süd-)östlich von Irland liegt. Die Beweggründe dafür, Freund und Familie zurückzulassen und ins Ausland zu gehen sind meist die selben: Hohe Arbeitslosigkeit im Heimatland und ein deutlich höherer Verdienst im Gastland.
Im Zuge der EU-Erweiterung im Mai 2004 haben die meisten "alten" EU-Länder sogenannte Übergangsregelungen gegenüber den neuen Mitgliedsstaaten aus Zentral- und Osteuropa (CEE) verhängt, um den Zuzug von Arbeitskräften hintan zu halten. Denn eigentlich gilt in der EU, die sich ja als gemeinsamer Wirtschaftsraum versteht, der Grundsatz der Freizügigkeit - für Waren, Dienstleistungen und Personen. Ein Deutscher kann also zum Beispiel relativ problemlos in Österreich als unselbständig Beschäftigter arbeiten. Ein Slowake aufgrund der Übergangsregelung aber nicht.
In negativem Sinne in die Schlagzeilen geraten sind die ausländischen Arbeitskräfte vor allem durch die Scheinselbständigen im Baugewerbe. In den vergangenen Tagen hat zudem eine Aktion der Slowakei für Aufregung in Österreich gesorgt: Arbeitslose Slowaken, die sich um Arbeit in anderen EU-Ländern bemühen, erhalten eine Fahrtkostenunterstützung vom slowakischen Staat.
85.000 neue Arbeitskräfte aus Osteuropa in Irland
Doch nicht alle EU-Länder fühlen sich durch die Arbeitssuchenden aus CEE so bedroht wie Österreich: So haben etwa die EU-Länder Irland, Großbritannien und Schweden auf die Übergangsfristen für den Arbeitsmarkt verzichtet. Die Folge ist, dass seit Mai 2004 mehr als 85.000 Arbeitskräfte aus den neuen EU-Staaten in Irland registriert wurden. Fast die Hälfte davon kommt aus Polen, berichtete kürzlich die irische "The Sunday Times".
Zum Vergleich: Nach Österreich kamen in diesem Zeitraum rund 4.000 Beschäftigte, geht aus den Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungen hervor (siehe Grafik) . Insgesamt lag die Zahl der Beschäftigten aus den neuen EU-Ländern Ende Mai 2005 bei 47.000 Personen. Die Zahl der Arbeitskräfte aus ganz Zentral- und Osteuropa (CEE) betrug 216.000 und ist damit seit dem Jahr 2000 um gut 6% gestiegen.
Allerdings ist auch die Ausgangssituation in Irland eine andere: Während die Arbeitslosenrate in Österreich - die im EU-Vergleich noch immer niedrig ist - in den vergangenen Jahren gestiegen ist, hat der "keltische Tiger" Irland einen großen Bedarf an Arbeitskräften. "Die Wahrheit ist: Wir brauchen mehr", wurde Pat Delaney, Direktor der irischen Vereinigung der mittelständischen Unternehmen in "The Sunday Times" zitiert. "Diese Arbeiter kommen hier her, weil irische Arbeitgeber in ihren Ländern aktiv um sie werben", so Delaney.
Auch andere Länder suchen Arbeitskräfte in anderen Teilen Europas: So will etwa der tschechische Arbeitsminister Zdenek Skromach das bereits bestehende Akquirierungsprogramm für qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland (u.a. Bulgarien, Kroatien, Moldawien) auf Serbien und Montenegro, Kanada und ab 2006 auch auf die Ukraine ausweiten. Er verweist auf eine Studie, wonach Tschechien im Jahr 2030 einen Arbeitskräftemangel von 400.000 Personen haben wird. Und die Schweiz überlegt laut Wirtschaftsminister Joseph Deiss, die Personenfreizügigkeit von den EU-15-Ländern auch auf die zehn neuen EU-Mitglieder auszudehnen.
Von der österreichischen Regierung wird betont, dass man die volle Länge der Übergangsfristen ausnutzen will. Auch Arbeiterkammer und Österreichischer Gewerkschaftsbund sind vehement gegen eine Lockerung der Bestimmungen. EU-Arbeitskommissar Vladimir Spidla hingegen will, "dass die Übergangsfristen so früh wie möglich" abgeschafft werden. Schließlich gebe es keinen Massenansturm, und in Österreich käme der Druck auf den Arbeitsmarkt vor allem aus Deutschland. Laut Schätzungen seien derzeit rund 50.000 Deutsche in Österreich beschäftigt.
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