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Unerwünschte Liebesmüh

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Die soziale Situation der Roma-Minderheit in Rumänien ist ähnlich trist wie etwa in Ungarn oder der Slowakei. Angesichts des absehbaren EU-Beitritts 2007 hat aber auch die Regierung in Bukarest Schritte unternommen, um die Lage der unterprivilegierten Minderheit zu verbessern. Ein spürbarer Erfolg hat sich bisher nicht eingestellt - "weil sehr oft von Seiten der Roma keine Kooperationsbereitschaft vorhanden ist", meint Minderheiten-Staatssekretär Ovidiu Gant.


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Exakt 535.250 Roma leben laut letzter Volkszählung in Rumänien. Tatsächlich dürften es weit mehr sein, da sich nicht alle Mitglieder der Minderheit zu ihrer Volksgruppe bekennen. Die Angehörigen des einstmals "fahrenden Volkes" stellen damit nach den Ungarn die zweitgrößte Minorität. Bis in das 19. Jahrhundert versklavt und unter 40 Jahren kommunistischer Diktatur ihrer nomadisierenden Lebensführung endgültig beraubt, wurde Rumäniens Roma erst in den letzten zehn Jahren verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt.

In punkto politischer Mitbestimmung ist bereits einiges geschehen. In Rumänien hat jede der 20 offiziell anerkannten Minderheiten bei Umgehung der Fünf-Prozent-Sperrklausel das Recht auf Entsendung eines Parlamentsabgeordneten. Dennoch ist der politische Einfluss der Roma relativ gering. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt Ovidiu Gant den Grund aus seiner Sicht: "Die Roma sind intern heillos zerstritten."

Tatsächlich kämpfen 16 Großclans um die Führung über die gesamte Ethnie - einheitliche Interessenswahrnehmung wird dadurch zur Illusion. Die durch extreme Hierarchisierung geprägte soziale Organisation der Roma ist ein weiterer Umstand, der der Regierung in Bukarest Kopfzerbechen bereitet: "Die Clanführer machen ihre eigenen Gesetze und sind an einer Kooperation mit dem Staat nur sehr bedingt interessiert", so Gant. "Die Köpfe der Clans üben enorme Macht aus und sind durch kriminelle Machenschaften zu Reichtum gelangt, die restlichen 99 Prozent der Roma leben in extremer Armut."

Insgesamt sechs Millionen Euro hat die EU Bukarest im Rahmen des PHARE-Programms zur Verfügung gestellt, um das Problem an der Wurzel zu packen. Geschehen ist bereits einiges: So wurde eine eigene Ministerialabteilung geschaffen, die sich ausschließlich um die Roma kümmert. Jeder rumänische Verwaltungsbezirk verfügt zudem über einen eigenen Roma-Beauftragten. Vertreter der Minderheit wurden in den Polizeidienst aufgenommen - in der Hoffnung, dass diese innerhalb ihrer eigenen Ethnie effektiver für Recht und Ordnung sorgen können. "Daneben bemühen wir uns, über speziell reservierte Studienplätze eine intellektuelle Elite zu schaffen, die die Interessen der Roma in Zukunft erfolgreicher wahrnehmen kann", so Rumäniens Minderheiten-Staatssekretär.

Zu spürbaren Erfolgen hat das alles noch nicht geführt, wie auch Gant zugeben muss. Die Schuld daran sieht er nicht ausschliesslich bei den Roma: "Man muss bedenken: Wir haben sie 400 Jahre effektiv als Sklaven gehalten." Und natürlich gäbe es in der rumänischen Gesellschaft die gleichen Vorurteile wie eh und je. Geschürt würden Ressentiments beispielsweise ganz bewusst durch die rumänischen Medien, kritisiert Gant. Resumee: "Das Problem sitzt tief und lässt sich sicher nicht von heute auf morgen lösen." schmoe