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Unfaire Berichterstattung

Von Fritz Hausjell

Gastkommentare
Fritz Hausjell lehrt Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien

Die Kritik an der Anpassung der ORF-Gebühren ist nicht gerechtfertigt. Die längst überfällige Erhöhung liegt deutlich unter der Inflationsrate.


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Wie viel Geld hätte der ORF zur Verfügung, wenn die 1999 von der rot-schwarzen Regierung beschlossene Refundierung der Gebührenbefreiungen von der schwarz-blauen Koalition nicht gestrichen worden wäre? Durch diese konservativ-freiheitliche Entscheidung entgingen dem ORF seit dem Jahr 2001 etwa 450 bis 500 Millionen Euro. Die drastischen Personalkürzungen (2007 bis 2010: minus 13,7 Prozent Mitarbeiter) wären dem ORF weitgehend erspart geblieben. Von vielen erfahrenen Mitarbeitern hätte er sich nicht vorzeitig verabschieden müssen, und freie Mitarbeiter könnten angemessener entlohnt werden. Wer an einem qualitätsvollen ORF-Journalismus interessiert ist, kann nicht eine Ausdünnung der Redaktionen befürworten. Wer will, dass der ORF mehr öffentlich-rechtliche Programmqualität statt billiger Importware sendet, der muss ihm auch die nötigen Mittel dafür zugestehen. Paradoxerweise sind aber viele der heftigsten Forderer von mehr öffentlich-rechtlichem Programm zugleich jene, die dem ORF härteste Einsparungen abverlangten und keine weiteren Mittel zubilligen wollen.

Heute wird der Stiftungsrat dem ORF vermutlich eine deutlich unter der Inflation liegende Anpassung der Rundfunkgebühren in Höhe von 7 Prozent genehmigen. Viele Zeitungen haben dies zum Anlass genommen, einmal mehr diese "Erhöhung", die real gesehen eine Senkung ist, zu kritisieren. Schlagzeilen auf Titelseiten war das vielen wert. Warum? Kann es sein, dass Eigeninteressen - die meisten Printmedienkonzerne in Österreich sind mit Privat-TV-Anbietern auf der Eigentümerebene verschränkt - in der journalistischen Berichterstattung so stark durchschlagen?

Natürlich interessiert das Publikum der Preis. Und spätestens, wenn dem Blatt "Österreich" das Thema dann gar eine Gallup-Umfrage wert ist ("82 Prozent gegen teureres Fernsehen"), stellt sich die Frage, warum das Blatt nicht eine ähnliche Umfrage zur eigenen Branche finanziert und publiziert: "82 Prozent gegen teurere Zeitungsabos" - das wäre zumindest eine Überraschungsschlagzeile. Bei den eigenen Nachjustierungen des Verkaufspreises wird in den Zeitungen indes nie groß berichtet. Ein kleiner Kasten genügt, in dem mit gestiegenen Kosten argumentiert und versichert wird, künftig ein noch besseres Produkt bieten zu wollen.

Im Umfeld der Rundfunkgebühren-Anpassung alarmiert einmal mehr der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) und fordert, der ORF solle weniger und schließlich nichts aus Werbung einnehmen dürfen. Das frei werdende TV-Werbevolumen würde nach VÖP-Argumentation den österreichischen Privat-TV-Machern zugute kommen. Tatsächlich verlor der ORF bisher durch die Freigabe des TV-Marktes und durch neue Werbebeschränkungen an TV-Werbeerlösen viel: 2000 nahm er 280 Millionen Euro ein, 2010 nur noch 140 Millionen. Was der ORF verlor beziehungsweise worauf er verzichten musste, kam aber weniger dem heimischen Privat-TV, sondern stärker deutschen TV-Werbefenstern (RTL, Sat1) zugute. Diese schaffen allerdings kein oder kaum neues Programm.