Eine der beiden noch in Frankreich verbliebenen Fabriken für Gauloises und Gitanes wird geschlossen und die Produktion nach Polen verlagert.
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Paris. Der Philosoph Jean-Paul Sartre rauchte sie ebenso wie der Chanson-Sänger Serge Gainsbourg: Gauloises- und Gitanes-Zigaretten galten lange als Kultglimmstängel der Künstler und Intellektuellen und als Inbegriff einer Coolness, die man sich nicht nur in Frankreich gerne überstreifte. Französisch ist aber künftig vor allem ihre Geschichte, ihr Image. Gestern kündigte das Tabak-Unternehmen Seita, eine Tochter des britischen Konzerns Imperial Tobacco an, seine größte Fabrik im westfranzösischen Carquefou bei Nantes zu schließen, wo 327 Mitarbeiter angestellt sind und im vergangenen Jahr 12,2 Milliarden Zigaretten hergestellt wurden. Von den insgesamt 1150 Stellen in ganz Frankreich sollen 366, also rund ein Drittel, abgebaut und dafür 130 neue in Polen geschaffen werden. Gewerkschaftsangaben zufolge scheint auch die Fabrik im britischen Nottingham von der Schließung bedroht. Das verbleibende Werk im zentralfranzösischen Riom mit 200 Mitarbeitern ist hingegen nicht betroffen. Dort werden allerdings unter anderem Zigaretten mit Aromen und mit Menthol hergestellt, die die EU in den kommenden Jahren verbieten wird.
Bereits bei der Übernahme von Seita durch Imperial Tobacco 2008 baute dieser rund tausend Stellen ab, davon die Hälfte in Frankreich. Nun erklärte die Konzernleitung die Entscheidung mit dem "Kontext eines starken Rückgangs der Tabak-Nachfrage, des erhöhten Vorschriften-Drucks und der Explosion von Schmuggel und Fälschung". Bereits im Februar hatte der weltweit viertgrößte Tabak-Konzern einen Rückgang des Jahresüberschusses um sechs Prozent und einen Sparplan über umgerechnet 385 Millionen Euro bis 2018 angekündigt. Während die Gauloises und Gitanes in vielen ausländischen Märkten, darunter Russland, Griechenland und Deutschland, erfolgreich bleiben, brach vor allem der Umsatz in Spanien und Marokko ein, sowie in Frankreich, wo die elektrische Zigarette zu einer großen Konkurrenz geworden ist und die Verkäufe im ersten Trimester um neun Prozent zurückgingen.
Die Nachricht ist ein Rückschlag nicht nur für die betroffenen Angestellten und die ganze Region, die in den vergangenen Monaten eine Reihe Fabrikschließungen vor allem in der Lebensmittelindustrie erlebt hat, vom Schlachtunternehmen Gad über den Geflügelkonzern Doux bis zum Zuchtlachs-Hersteller Marine Harvest. Sondern auch für die französische Regierung, die sich erst vor zwei Wochen neu gebildet hat und den Kampf für mehr Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie und die Senkung der Arbeitskosten zu ihrem Schwerpunkt erklärt hat.
Zumal es sich bei den "Gauloises", französisch für "Gallierinnen", eben um ein legendäres nationales Symbol handelt. Der Gewerkschaftsvertreter Éric Comparot sprach von einem "schwarzen Tag für Frankreich und die Franzosen": "Wir sind zutiefst erschüttert, weil unser Vorzeigeprodukt, die Gauloise, künftig im Ausland hergestellt wird." Bereits seit 1910 produziert das frühere Staatsunternehmen Seita die Kult-Marke, das 1995 privatisiert wurde und 1999 mit dem spanischen Unternehmen Tabacalera zum Unternehmen Altadis fusionierte, bevor es Imperial Tobacco übernahm. So steht Seita, Frankreichs letzter großer Zigarettenproduzent, für ein lange geltendes staatliches Monopol auf die Herstellung von und den Handel mit Tabak, das Jean-Baptiste Colbert, Finanzminister unter dem "Sonnenkönig" Ludwig XIV., Ende des 17. Jahrhunderts eingerichtet hatte. Doch die Zeiten des berüchtigten Wirtschaftslenkers sind vorbei.