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Unfreies Handeln

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die Entscheidung der Ende Oktober abtretenden EU-Kommission, keine Europäische Bürgerinitiative für das Freihandelsabkommen mit den USA zuzulassen, ist formal richtig. Politisch ist es idiotisch. Die Stimmung in der europäischen Bevölkerung zum Thema Freihandel ist nicht gerade positiv, Stichwort Chlorhühner. Eine Bürgerbefragung abzudrehen, wird diese Stimmung nicht gerade verbessern. Schon nach jetziger Lage ist die (notwendige) Zustimmung des Europäischen Parlaments dafür unwahrscheinlich. Sie wird noch unwahrscheinlicher.

Denn die EU-Kommission hat es bisher bei allen Freihandelsabkommen verabsäumt, die Zielsetzung dahinter offen auf den Tisch zu legen. Das Abkommen mit Kanada ist fertig verhandelt, das mit den USA steckt mittendrin, eines mit Japan soll Ende 2015 fertig sein.

Wie wirkt sich freier Handel der drei großen marktwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftsblöcke auf Europa aus? Und welche Folgen hätte das für andere Handelspartner wie China, Indien und auch Russland? Antwort: Fehlanzeige.

Im Dezember 2013 einigten sich die 159 Länder der Welthandelsorganisation (WTO) auf Erleichterungen im Handel, sogar auf den Abbau von Agrarsubventionen. Was können EU-Abkommen, was diese WTO nicht kann? Fehlanzeige.

Der Grund für die fehlenden Antworten ist banal und erschreckend zugleich. Die bisherige Kommission, erfüllt vom Geist der reinen Marktwirtschaft, dachte nicht umfassend darüber nach. Die zuständigen Abteilungen arbeiten die Abkommen aus, alle anderen bleiben draußen. Ist der Sozial-Kommissar in die Handelsgespräche eingebunden? Nein.

Juncker will das ändern, die Kommission soll künftig "ganzheitlich" bei großen Themen zusammenarbeiten. Das ist klug und macht die EU-Kommission politischer. Es wird ihr dann vielleicht sogar möglich sein, auch laut zu sagen, dass die engere wirtschaftliche Anbindung an die USA, Kanada und Japan geopolitische Gründe hat, die nichts mit Wachstum zu tun haben.

Und die künftige Kommission soll auch sagen, welchen Reformschub so große Handelsabkommen in der EU auslösen. Denn diese Reformen liegen meist in nationaler Hand und gehen viel langsamer. Dazwischen gehen wohl Jobs verloren. Die neue Kommission soll alle diese Fragen zuerst beantworten und dann einer Europäischen Bürgerinitiative den Weg freigeben.