Vor ein paar Jahren noch waren sie weit und breit nicht zu sehen. Mittlerweile säumen sie die Straße von der ungarischen Grenze östlich von Debrecen in die rumänische Stadt Cluj-Napoca: zweisprachige Ortstafeln. Auf Rumänisch und Ungarisch kündigen sie Orte Siebenbürgens an, die jahrhundertelang von Rumänen, Ungarn und Deutschen bewohnt waren. In der Zeit hat Transsilvanien viele Herrscher kennengelernt: Daker, Goten und Hunnen. Fast tausend Jahre lang gehörte das Gebiet zur ungarischen Krone; und es war Teil der Habsburger-Monarchie. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde Siebenbürgen endgültig Rumänien zugesprochen, und die Phase der ungarischen Autonomie war bald vorbei.
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Die Wechselwirkung lässt sich allein an der Geschichte einer Inschrift in Cluj-Napoca (ungarisch: Kolozsvar, deutsch: Klausenburg) ablesen. Das vor mehr als hundert Jahren errichtete Reiterstandbild des Königs Matthias Corvinus war zunächst mit "Matyas Corvin" beschriftet. Nach dem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien 1918 trug es die Sockelinschrift "Matei Corvin", als das Gebiet im Zweiten Weltkrieg wieder zu Ungarn kam, wurde die alte Tafel angebracht. Die Kommunisten machten "Mathias Rex" daraus, und nach 1989 wurde wieder die rumänische Inschrift installiert.
Die Zeiten der Zwangsrumänisierung sind aber vorbei. Rumänien ist jetzt Mitglied der Europäischen Union, stellt den EU-Kommissar für Mehrsprachigkeit, bekennt sich zum Schutz der Minderheitenrechte - zumindest auf dem Papier. Die Babes-Bolyai-Universität in Cluj-Napoca bietet Unterricht in Rumänisch, Ungarisch und Deutsch an. Sie wirbt mit ihrem "multikulturellen Profil".
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Just an dieser Universität sind zwei Lektoren entlassen worden, und das nur, weil sie ungarischsprachige Schilder in der Hochschule anbringen wollten. Der Physiker Peter Hantz und der Mathematiker Lehel Kovacs pochten darauf, dass in die Tat umgesetzt wird, wofür sich die Hochschule rühmt. Immerhin habe der Rektor bereits beschlossen, mehrsprachige Tafeln anzubringen, erklärt Hantz. Später habe das nicht mehr gegolten; und als Hantz eigenhändig Schilder befestigte, rissen sie Sicherheitsleute sofort runter.
Die Universität leitete ein Disziplinarverfahren ein, eine Ethikkommission befasste sich mit dem Fall. Sie empfahl die Entlassung der beiden Lektoren. Der Senat der Universität - ein Gremium, in dem Dutzende Lehrende vertreten sind - folgte der Empfehlung, mit nur neun Gegenstimmen.
Den Vorwurf, ethnische Gründe waren für die Kündigung ausschlaggebend, weist die Sprecherin der Babes-Bolyai-Universität strikt zurück. "Es ging um das Verhalten der Lektoren", sagt Cristina Nistor. Hantz hätte mit seiner Aktion Chaos verursacht und den Lehrbetrieb gestört. Zur Anbringung von Tafeln am Gebäude sei er außerdem nicht berechtigt gewesen. Und bei dem Beschluss zur Anbringung mehrsprachiger Schilder handelte es sich nicht um eine Entscheidung sondern einen Plan.
Der Physiker sieht das anders. Seine Entlassung sei politisch motiviert: Die Regierung in Bukarest wolle das Ungarische zu Gunsten des Rumänischen verdrängen. Dabei sind etwa 1,5 Millionen von den rund 22 Millionen Menschen, die in Rumänien leben, Ungarn. Ungarische Schulen gibt es, aber eine staatliche ungarische Universität nicht.
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Peter Hantz will weiterhin für eine ungarische Hochschule kämpfen. So eine gab es in Cluj-Napoca bis 1959; danach wurde die Janos-Bolyai-Universität mit der Victor-Babes-Universität zwangsvereint.
Mit seinem Fall will der entlassene Lektor nicht nur das rumänische Bildungsministerium befassen sondern auch den Europarat und das Europäische Parlament. Diese sollen mehr Druck auf Rumänien machen, die Rechte von Minderheiten anzuerkennen. Ein Autonomiestatus - wie etwa in Südtirol - wäre wünschenswert. "Warum hat die EU aus den Erfahrungen in Südtirol oder im Baskenland nicht gelernt?" fragt Hantz.