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Ungarische Sozialisten vor der Zerreißprobe

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Nach Wahldebakel fordert Spitzenkandidat Mesterhazy Verjüngung der Partei. | Budapest. Am Tag nach dem historischen Wahldebakel blieb bei den ungarischen Sozialisten kein Stein mehr auf dem anderen. Gerade einmal 15,3 Prozent und damit 59 Parlamentssitze für die MSZP hieß es am Sonntag unterm Strich für die einst übermächtige Partei, die zuletzt den parteilosen Ministerpräsidenten Gordon Bajnai stützte. Die MSZP ist damit in das tiefste Loch ihrer Geschichte gefallen. "Wer soll nun auf den Plan treten?", lautete denn auch die bange Frage in Parteikreisen. | Analyse: Im ungarischen Parlament besteht künftig mehr als nur Ungleichgewicht


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Die MSZP-Vorsitzende Ildiko Lendvai hatte schon vor dem zweiten Wahlgang am 25. April ihren Rücktritt erklärt, noch in der Wahlnacht stellten die Mitglieder des Parteivorstands ihre Ämter zur Verfügung. Ein Sonderparteitag soll nun über die Neubesetzung der MSZP-Spitze befinden.

Attila Mesterhazy, der die Sozialisten als Spitzenkandidat in die Wahlen geführt hatte, meldete seinen Anspruch auf den Parteivorsitz an. Der 36-Jährige will eine deutliche Verjüngung der MSZP in die Wege leiten und damit den aus seiner Sicht überfälligen Generationswechsel bei den Sozialisten herbeiführen, damit die MSZP bis 2014 wieder zur Regierungspartei erstarkt. Ein wichtiges Anliegen ist ihm die Verständigung über Parteigrenzen hinweg. Mit der Teilung des Landes in zwei politische Lager müsse endlich Schluss sein, hatte er selbst während des Wahlkampfes immer wieder betont.

Ziehvater gegen -sohn

Mesterhazys schärfster Konkurrent um das Amt des Parteivorsitzenden wird wohl ein alter Bekannter: der frühere Premier Ferenc Gyurcsany und damit ausgerechnet der Mann, der als Mesterhazys politischer Ziehvater gilt. Im März 2009 hatte er seinen baldigen Rücktritt vom Amt des Regierungschefs avisiert und nur eine Woche später auch den Parteivorsitz niedergelegt, "um der Partei nicht mehr das Hindernis zu sein, als das ich von vielen gesehen werde".

Als Vorsitzender der MSZP-nahen Tancsics-Mihaly-Stiftung hat Gyurcsany aber immer noch ein Mitspracherecht im Parteivorstand. Da er während des Wahlkampfes heftige Verbalattacken gegen Ildiko Lendvai und vor allem gegen Mesterhazy fuhr, wird schon länger darüber spekuliert, dass Gyurcsany bald wieder erster Mann der MSZP sein könnte.

Schon gestern, Montag, legte der frühere Ministerpräsident der Nachrichtenagentur MTI seine Vorstellungen für die Sozialdemokratie der Zukunft dar. Der Weg sei nun frei für eine grundlegende Erneuerung. Zunächst müssten die Ämter des Partei- und Fraktionsvorsitzenden sowie des Fraktionsvize besetzt werden. Danach könne sich die MSZP daran machen, das politische Vakuum zu füllen, das dadurch entstanden sei, dass die Liberalen nicht mehr im Parlament vertreten sind. Die MSZP könne so zu einer Mitte-Links-Partei werden.