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Ungarn: Große Töne, leere Kassen

Von Georg Friesenbichler

Analysen

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Die EU ist weiter unzufrieden mit Ungarn. Kommissarin Neelie Kroes nutzte am Mittwoch eine Anhörung im Innenausschuss des Europaparlaments, um neuerlich auf die "ernsten Bedenken" aufmerksam zu machen, die auf Tatsachen, nicht auf "Mythen" basieren würden. Über das ungarische Mediengesetz meinte sie sogar, es sei eine "Bedrohung für die Pressefreiheit". Die bisher erfolgten Änderungen im Mediengesetz seien "begrüßenswert, aber nicht ausreichend", sagte Kroes. In einer unmittelbaren Reaktion versicherte der ungarische Vizepremier Tibor Navracsics, dass sein Land bereits die "entsprechenden Änderungen" in das Gesetz einarbeite.

Tatsächlich ist in der ungarischen Medienlandschaft schon jetzt die Wirkung der Versuche von Ministerpräsident Victor Orban spürbar, die Berichterstattung zu dominieren. Über die Regierung wird fast ausschließlich positiv berichtet. Einem der wenigen kritischen Sender, Klubradio, droht die Einstellung. Die von Orban-Anhängern besetzte Medienbehörde hatte die Frequenz des Radios an eine dubiose Briefkastenfirma vergeben, nach heftigen Protesten darf der Sender jetzt gnadenhalber noch bis Anfang April die alte Frequenz nutzen.

Daneben laufen noch drei weitere EU-Verfahren gegen Ungarn, die die Unabhängigkeit der Zentralbank, die Datenschutzbehörde und die umstrittene Herabsetzung des Pensionsalters von Richtern von 70 auf 62 Jahre betreffen. Kroes gibt Ungarn nur noch eine Woche Zeit, um dazu Stellung zu nehmen, sonst drohen weitere Schritte.

Wie unlängst aus der Orban-Partei Fidesz zu hören war, beträfen die Änderungen, zu denen man bereit ist, aber nur Marginalien. Und Orban selbst gab sich jüngst in seiner Rede an die Nation weit weniger versöhnlich, als er es in Brüssel zu tun pflegt: "Europa wird langsam so etwas wie Alkohol", sagte der Regierungschef in Budapest, "es inspiriert zu großen Zielen, doch verhindert, dass wir sie erreichen."

Auch seinen wirtschaftspolitischen Kurs verteidigte Orban bei dieser Gelegenheit. Doch wegen der darniederliegenden Währung und dem von Ratingagenturen ausgewiesenen Ramschstatus ist Ungarn auf Milliardenhilfe aus dem Ausland angewiesen. EU und Internationaler Währungsfonds haben indes schon deutlich gemacht, dass kein frisches Geld fließen wird, wenn Budapest umstrittene Regelungen nicht zurücknimmt und zu solider Haushaltspolitik zurückkehrt. Zwischen diesen internationalen Ansprüchen und Orbans nationalistisch-populistischen Tönen ist ein enormer Unterschied. Leider bekommt man aus den genannten Gründen in ungarischen Medien davon fast nichts mit.