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Wien - Nach Malta und Slowenien hat nun auch Ungarn sein Jawort zum EU-Beitritt gegeben. Über 83 Prozent sprachen sich für einen solchen Schritt aus. Dennoch ist das Verhältnis vieler Ungarn zur EU nicht frei von Doppelbödigkeiten.
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Das Wahlergebnis war sicher keine große Überraschung, die Umfragen der letzten Monaten haben ja Ähnliches prognostiziert. Die Zustimmung der Bevölkerung wurde auch bestimmt dadurch gesteigert, dass Ungarn bei der Abstimmung des Europäischen Parlaments am Mittwoch zu einem der am meisten unterstützten Bewerberstaaten wurde. Mit Erfolg endete also die Kampagne, die die Regierung im Einverständnis aller parlamentarischen Parteien geführt hat. "Am 12. April dürfen wir uns nicht irren, die einzige historische Realität ist der Beitritt", erklärte die Präsidentin einer der Oppositionsparteien. Offenbar sah es gestern die überwiegende Mehrheit der ungarischen Bevölkerung auch so, obwohl - wie es aus Meinungsumfragen hervorgeht - sogar Befürworter sich vor Preiserhöhungen und steigender Arbeitslosigkeit als möglichen Folgen des EU-Beitritts fürchten.
Inzwischen sind es immer weniger, die von der Mitgliedschaft ein schlagartiges Wachstum der Einkommen erwarten. Natürlich findet der Beitritt, wie überall im Europa, nicht nur Unterstützung. Die Gegner sprechen über die "unehrliche Methode der Kolonisation". Sie meinen, dass durch die Mitgliedschaft in der Union die Unabhängigkeit des Landes verloren gehen kann und betonen die negative Auswirkung der Union auf die Wirtschaft sowie die Trennung von der in den verschiedenen Nachbarländern als Minderheit lebenden ungarischen Bevölkerung.
Interessante Zweideutigkeit zeigt sich in der Meinung der Mehrheit der Ungarn, die die Folgen des Beitritts für das Land und ihre Region als positiv bewerten, die aber, was sie selbst und das Wohlergehen ihrer Familien betrifft, gar nicht mehr so zuversichtlich sind. Ein Jahr vor dem Beitritt und einen Tag nach den Wahlen kennzeichnet Ungarn also keine euphorische Stimmung, sondern vielmehr eine mit Sorgen gemischte Begeisterung.