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Ungarn: Nach Mord wendet sich Stimmung gegen Roma

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Handballer niedergestochen. | Budapest. Vor genau zwölf Tagen wurde der beim MKV Veszprém engagierte rumänische Handballnationalspieler Marian Cozma in der Stadt unweit des Plattensees in einem Nachtclub niedergestochen. Dabei wurde er so schwer verletzt, dass er noch in derselben Nacht starb. Zwei der drei mutmaßlichen Täter sind Roma. Seither hat sich die Stimmung im Nachbarland spürbar gegen Angehörige der Minderheit gewendet.


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Wenige Tage vor dem Mord in Veszprém hatte schon Albert Pásztor, damals noch Polizeichef von Miskolc, mit dem Satz "Wir können sagen, dass alle Einbrüche in Miskolc im Dezember und Januar von Zigeunern begangen wurden" eine heftige Debatte ausgelöst. Justizminister Tibor Draskovics enthob Pásztor seines Amtes, musste aber heftige Kritik der bürgerlichen Opposition einstecken, weil Pásztor an sich gute Arbeit geleistet habe. György Virág, der Direktor des Nationalen Instituts für Kriminologie wiederum nennt Pásztors Aussage "völlig haltlos, weil gar keine Statistik existiert, in der von Roma begangene Straftaten gesondert ausgewiesen werden". Es gebe auch keine Hinweise auf eine "organisierte Roma-Mafia".

Premier Ferenc Gyurcsány wiederum musste sich im Zusammenhang mit Vezsprém den Vorwurf gefallen lassen, er schränke die Pressefreiheit willkürlich ein, als er ungewöhnlich scharf auf einen Essay des Redakteurs des konservativen "Magyar Hírlap", Zsolt Bayer, reagierte. Bayer nannte die Täter von Veszprém "mörderische Bestien" und schrieb weiter, "bedauerlicherweise haben viele Angehörige der Zigeuner-Minderheit Ko-Existenz und Menschlichkeit aufgegeben", sie seien keine Menschen, sondern Tiere. Gyurcsány forderte daraufhin die Behörden auf, das Blatt nicht weiter zu abonnieren.

Für eine Expertin der Ungarischen Akademie der Wissenschaften sind die neuerlichen heftigen Debatten über den Umgang mit den Roma allerdings nur "eine bewährte Methode, wie sich Politiker beider Lager anfeinden können, ohne über noch schlimmere Probleme reden zu müssen". Der renommierten Politikberatung Political Capital zufolge sind die Möglichkeiten der Politiker, Attacken gegen Roma entgegenzuwirken, ohnehin äußerst begrenzt.