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Ungarn - nahe und doch unterschiedlich

Von Gerhard Hain

Wirtschaft

Zwischen Österreich und Ungarn bestehen trotz geografischer Nähe und gemeinsamer Geschichte große Unterschiede bei der Zusammenarbeit, in der Kommunikation und in den Wertsystemen.


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Viele Österreicher fahren oft und gerne nach Ungarn, um gut und preiswert zu essen, Auto und Zähne reparieren zu lassen, im Supermarkt Salami und Barack zu kaufen, sich in einem Wellnesshotel am Plattensee zu erholen oder ein Wochenende in Budapest zu verbringen. So war also auch ein junger Marketingmanager in der österrei-chischen Filiale eines internationalen Konzerns begeistert, als ihm die Leitung der ungarischen Tochterfirma angeboten wurde. Nicht nur wegen des Karrieresprungs, sondern auch, weil sich seine Frau und er selbst auf ein paar Jahre in Budapest freuten, nahe an Wien und doch in einer anderen Welt, deren Mentalität und Lebensart beiden sehr sympathisch war. Wohnung, Auto und ein Basissprachkurs wurden vom Unternehmen organisiert und seine neuen Mitarbeiter empfingen ihn sehr herzlich, nett und hilfsbereit.

Warum war dann beim Marketingleiter, wie auch bei seiner Frau, die anfängliche Euphorie bereits nach einem halben Jahr verflogen und hatte sich in eine steigenden Frustration verwandelt? Vor allem, weil sich der erwartete berufliche Erfolg nicht einstellte und er nach einem weiteren halben Jahr durch einen seiner ungarischen Mitarbeiter ersetzt wurde. Resümee: Karrierebruch und Eheprobleme für eine junge, vielversprechende Führungskraft und für die Firma ein verlorenes Jahr, hohe Kosten und ein Imageverlust. Oberflächliche Erfahrungen mit ungarischer Mentalität sind für ein richtiges Verhalten sowohl in konkreten beruflichen Situationen wie auch für dauerhafte soziale Kontakte eben nicht nur nicht hilfreich, sondern manchmal sogar irreführend. In Touristik und Gastronomie bemühen sich gutwillige Gäste und professionelle Gastgeber um eine positive Atmosphäre, aber historisch bedingte Unterschiede in den Wertesystemen und im Verhaltenskodex spielen bei diesen oberflächlichen Kontakten kaum eine Rolle.

Für Geschäftstermine genügend Zeit einplanen

Ganz anders verhält es sich damit bei dem Aufbau erfolgreicher geschäftlicher Beziehungen oder tragfähiger sozialer Kontakte. Kommunikationsregeln, Zeitbegriffe und der Ablauf von Entscheidungsprozessen sind in Ungarn grundsätzlich anders als in Österreich, auch hierarchische Strukturen haben in beiden Ländern verschiedene Bedeutung, und Konflikte müssen auf andere Weise bewältigt werden.

So sollte man für Geschäftstermine reichlich Zeit vorsehen, Ungarn sprechen zunächst gerne über belanglosere oder persönliche Themen, um einander besser kennenzulernen. Wenn auch die meisten Ungarn über einen typischen ironischen Humor verfügen, sollten Sie als Ausländer Witze über ihr Land unbedingt vermeiden, das wirkt herablassend und wird leicht als Versuch verstanden, Überlegenheit aus-zudrücken. Ungarn erwarten auch, dass ihre Gastlichkeit und Großzügigkeit entsprechend erwidert wird.

Gerhard Hain ist Managing Partner der Unternehmensberatung

ti communication Dr. Fischhof GmbH in Wien.

www.ticommunication.eu E-Mail: wien@ticommunication.eu