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Ungarn schraubt Leitzins um drei Prozentpunkte höher

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Wirtschaft

Budapest. Die ungarische Nationalbank hat den Leitzinssatz in einer außerordentlichen Sitzung am Mittwoch um drei Prozentpunkte auf 11,50 Prozent angehoben. Offiziell wird der drastische Schritt mit der Schwäche des ungarischen Forint begründet, der am Mittwoch zwischenzeitlich erheblich an Wert verloren hat und zeitweise sogar auf einen Wechselkurs von 283,50 je Euro eingebrochen ist.


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Damit war er nur noch unwesentlich vom historischen Tief von 285,10 je Euro im Juni 2006 entfernt. Die Nationalbank fixierte den Kurs bei 275,79 Forint je Euro. Mit der Anhebung sollen Angriffe von Spekulanten gegen die Landeswährung abgewehrt werden, hieß es in einer Erklärung im ungarischen Rundfunk.

Vor dem Hintergrund des Wertverlustes des Forint hat Ungarns Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány angekündigt, der Staat wolle Banken bei Devisenkrediten unter die Arme greifen, ohne dies jedoch zu konkretisieren.

Der Bankenrat hatte sich zuletzt am Montag zu einer regulären Sitzung getroffen, der Leitzins war jedoch zunächst bei den Ende Mai fixierten 8,50 Prozent belassen worden. Der Termin für die Bekanntgabe des neuen Leitzinssatzes scheint mit Bedacht gewählt, ist doch heute, Donnerstag, Nationalfeiertag, in dessen Vorfeld nur ein eher leiser Aufschrei in Finanzkreisen zu erwarten war. Dort wird übrigens mehrheitlich erst für Anfang November mit einem Ende der Forinttalfahrt gerechnet.

Gift für den Mittelstand

Ansonsten ist die gestrige Aktion der Notenbanker wohl eher ein Ausdruck der Verzweiflung und Lähmung, in die Ungarn seit dem Offenbarwerden des öffentlichen Finanzdesasters mehr und mehr verfällt.

Die Leitzinserhöhung bedeutet die Fortsetzung eines Kurses, der trotz zeitweiser Stärkung des Forint gegenüber dem Euro von Währungsexperten als wenig erfolgreich gewertet wird und die Turbulenzen der vergangenen Wochen wohl eher noch beschleunigt hat.

Praktisch ist sie vor allem und einmal mehr Gift für den Mittelstand. Im Maschinenbau etwa, einer in Ungarn tragenden Branche, stöhnen viele Unternehmer ohnehin schon wegen einer vergleichsweise hohen Zinsenlast. Denn zahlreiche Firmen modernisieren gerade ihre Anlagen und sind dafür meist auf Fremdkapital angewiesen.

Der Eindruck allgemeiner Ratlosigkeit fügt sich in das Stimmungsbild nach dem Scheitern des sogenannten Rettungsgipfels, der auf Initiative von Premier Gyurcsány am Samstag stattgefunden hatte. Viele wichtige Vertreter aus Politik und Wirtschaft waren dort erst gar nicht erschienen.