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Ungarn: Starker Zulauf für Rechte

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Radikaler Jobbik gilt als sicherer Anwärter auf Mandate. | Fidesz mit sattem Vorsprung vor allen anderen Parteien. | Budapest. Gábor Fodor, Vorsitzender der liberalen ungarischen Partei SZDZS, nennt ihn eine "Partei von Neonazis", für andere ist er "die einzige politische Gruppierung mit einer zukunftsweisenden Vision". Der rechtsradikale Jobbik ist sicher das umstrittenste Element im Parteienspektrum des Nachbarlandes.


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Eines ist jedoch immer weniger von der Hand zu weisen: Jobbik hat sich zu einem gewichtigen Faktor im politischen Leben entwickelt, deshalb dürfte die Partei nach den Parlamentswahlen 2010 auch im Parlament vertreten sein. Das ergibt sich aus einer am Donnerstag von der Tageszeitung "Metropol" veröffentlichten Umfrage.

Für die regierenden Sozialisten sprechen sich demnach nicht einmal ein Fünftel aller Wahlberechtigten aus. Die SZDSZ und das Ungarische Demokratische Forum, beides einstige Regierungsparteien, würden gar nicht mehr ins Parlament kommen.

Orbán im Zwielicht

Die führende Oppositionspartei Fidesz von Viktor Orbán hingegen kann zurzeit auf knapp die Hälfte aller Wähler rechnen.

Bei aller Beliebtheit ist Orbán jedoch fast eine tragische Figur, wenn es um Jobbik geht. Vor einigen Jahren wurde nämlich gemutmaßt, Fidesz werde eine Verbindung mit dem ausgewiesenen Rechtsextremisten István Csurka eingehen, mit dessen Partei Jobbik bei den Parlamentswahlen 2006 gemeinsam kandidierte.

Solche Spekulationen waren offensichtlich aus der Luft gegriffen. Doch hängen sie Orbán bis heute nach, auch wenn er mit Blick auf Jobbik und vor allem ihren paramilitärischen Arm Ungarische Garde immer wieder betont, dass "das nicht unser Weg ist, die Dinge zu verändern".

Allerdings ist Orbán zumindest für einen Teil der Jobbik-Anhänger durchaus interessant, weil er sich für eine bessere Rechtsstellung der Angehörigen von ungarischen Minderheiten im Ausland ausspricht.

Frustriert und national

Bei den Europawahlen kandidiert Jobbik mit Krisztina Morvai als Spitzenkandidatin. Morvai ist international bekannt, seit sie die Übergriffe der Polizei bei den heftigen Ausschreitungen im Herbst 2006 und danach öffentlich brandmarkte. Momentan fällt Jobbik vor allem wegen der zahlreichen Aufmärsche der Ungarischen Garde auf. So wurden bei einer an sich als friedliche Kundgebung geplanten Demonstration vor dem Parlament am Tage der Wahl des neuen Premiers Gordon Bajnai, in die sich auch Garde-Anhänger mischten, am Ende zwölf Personen festgenommen.

Das Wählerpotenzial des Jobbik ist nicht einheitlich. Studien zufolge, wie sie seit Bajnais Amtsantritt vermehrt publiziert werden, rechnen zu Jobbik-Unterstützern frustrierte Brüger, die den Glauben an die Tatkraft der traditionellen Parteien verloren haben, ebenso wie Verfechter eines "Großungarns", in das auch die Angehörigen der ungarischen Minderheiten im Ausland vollständig integriert sind.

Stark vorurteilsbehaftete Menschen finden sich ebenso unter den Jobbik-Anhänger wie die Opfer der Wirtschaftskrise.

Wenn sich so düstere Szenarien wie das der Nationalbank bestätigen, dem zufolge sich die Wirtschaft nur äußerst langsam erholt, noch viele Geschäftsleute pleite gehen und sich insbesondere auch Raten für auf Fremdwährungen lautende Hypotheken noch massiv verteuern, dürfte Jobbik jedenfalls noch deutlich an Popularität gewinnen.