Sicherheitsbehörde-Chef warnt vor neuem Phänomen. | Budapest. Im Herbst 2006 tobte in Budapest der Mob. Damals geriet die sogenannte "Lügenrede" von Ex-Premier Ferenc Gyurcsány an die Öffentlichkeit, und die Menschen ließen ihrer Wut freien Lauf. Der große Volkszorn hat sich inzwischen gelegt. In Ungarn drohen aber in nächster Zeit Anschläge auf staatliche Einrichtungen durch terroristische Zellen, die ihren Ursprung in den Ausschreitungen vor knapp drei Jahren haben. Davor hat Sándor Laborcz, Chef der ungarischen Nationalen Sicherheitsbehörde, am Wochenende gewarnt.
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Das Land sehe sich einem inländischen politischen Terrorismus ausgesetzt, "der eine Fortsetzung der Welle politischen Extremismus im Herbst 2006 darstellt", sagte Laborcz in der Tageszeitung "Népszabadság". "Was wir vorher nur vermuteten, wissen wir nun: In Ungarn gibt es Personen, die dazu bereit sind, politische terroristische Straftaten zu begehen." Die Zahl potenzieller Terroristen schätzt Laborcz auf einige Dutzend, die Zahl potenzieller Extremisten, deren harter Kern bewaffnete Anschläge auf die demokratische staatliche Ordnung verüben wolle, liege noch um einiges höher.
Konkret verwies Laborcz darauf, dass zu Monatsbeginn vier Mitglieder der "Nationalen Befreiungsarmee Pfeile der Ungarn" gefasst wurden; diese Gruppierung sei in Zellen untergliedert. Die Festgenommenen sollen Attentate vorbereitet haben, die sie mit Hilfe von Bomben begehen wollten, die sie Fußbällen versteckt hatten. Fünf solcher Bälle seien sichergestellt worden. Die Polizei fand Sprengstoff, Schusswaffen und Munition.
Die Gruppe hat sich vor einiger Zeit dazu bekannt, einen einflussreichen Politiker der regierenden Sozialistischen zusammengeschlagen und einen Anschlag auf das Ferienhaus des für die Geheimdienste zuständigen Ministers für Geheimdienste verübt zu haben. "Es ist das erste Mal, dass in Ungarn Personen der Vorbereitung politisch motivierter terroristischer Straftaten verdächtigt werden, die einer radikalen Gruppe angehören", machte Laborcz den Ernst der Lage deutlich. Im Übrigen sei mit weiteren Anschläge auf Parteieinrichtungen zu rechnen.
Der Geheimdienstchef äußerte sich auch zu den Mordanschlägen auf Roma, die sich in jüngster Zeit häufen. Erst vergangene Woche war im nordungarischen Tiszalök ein 54-Jähriger erschossen worden. Das Tatmuster ähnelt den sieben zuvor begangenen Anschlägen auf Roma. "Wir gehen davon aus, dass dahinter Extremisten stecken", so Laborcz. Dabei könne es sich um eine vier- oder fünfköpfige Gruppe handeln. Wegen des souveränen Umgangs der Täter mit Schusswaffen sei nicht ausgeschlossen, dass dazu auch aktive oder ausgediente Soldaten oder Polizisten zählten.