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Ungarn vor Ende des Solidarprinzips

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Staatliche und private Altersvorsorge sind ab Februar strikt getrennt. | Zwang zum staatlichen Pensionskonto. | Budapest. Das ungarische Parlament hat die umstrittene Pensionsreform auf den Weg gebracht, wodurch die Pflicht zur privaten Altersvorsorge aufgehoben wird. Bis Ende Jänner müssen sich knapp 2,8 Millionen Ungarn entscheiden, ob sie im System der "obligatorischen privaten Zusatzpension" verbleiben oder künftig nur noch in die staatliche Pensionskasse einzahlen. Entscheiden sie sich für die erste Möglichkeit, verlieren sie den Anspruch auf eine staatliche Rente. Dem Fiskus soll das langfristig umgerechnet rund zehn Milliarden Euro bringen.


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Seit einem guten Jahrzehnt beruht die Altersvorsorge in Ungarn auf drei Säulen. Die staatlichen Pflichtrenten werden bisher über ein Viertel vom Bruttogehalt finanziert. Für die zweite, nunmehr zur Disposition stehende Säule gehen 8 Prozent vom Bruttogehalt in private Pensionsfonds und bisher 1,5 Prozent (künftig 2 Prozent) an den Fiskus. Seit November werden die 8 Prozent für zunächst 14 Monate vom Fiskus einbehalten, bis Ende 2011 sollen so 1,2 Milliarden Euro an ihn fließen. Eine freiwillige private Pensionsversicherung bildet die dritte Säule.

Mit der Gesetzesänderung will die Regierung bei Pensionen den Schwenk vom Solidar- zum Verdienstsystem einleiten. Künftig sollen die Pensionen nicht mehr von der aktuell erwerbstätigen Generation für die vorherige Generation der Erwerbstätigen erwirtschaftet werden. Stattdessen zahlt jeder Ungar auf ein langfristig angelegtes Pensionskonto ein, aus dem er im Ruhestand eine staatliche Pension entsprechend seinen Geldleistungen erhält.

EU-Kritik ignoriert

Die Regierung in Budapest wurde wegen der Rentenreform auch aus Brüssel heftig attackiert. Die Kritiker sprechen von einer "kaltblütigen Enteignung" von Einzahlern in private Pensionsfonds. Liberale Stimmen weisen allerdings darauf hin, dass man wegen der aus dem Ruder laufenden Sozialausgaben über kurz oder lang ohnehin nicht darum herumkommen werde, überall in Europa bei den Pensionen zu reinen Verdienstsystemen überzugehen, wenngleich sich volkswirtschaftlich nur ein allmählicher Systemwechsel rechne.