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Ungarn: "Warum sollte ich meinen Preis drücken?"

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Öffnung reizt Jobsuchende kaum. | Qualifizierte wollen abgeworben werden. | Budapest. Laut Umfragen sind ungarische Jobsuchende in Österreich am meisten willkommen: Immerhin 18 Prozent aller Österreicher meinen, sie sollten am ehesten das Recht haben, hier zu arbeiten. Doch ausgerechnet Ungarn scheint dies eher kalt zu lassen. Es gebe kaum etwas so Immobiles wie seine Landsleute, setzt etwa Justiz- und Verwaltungsminister Tibor Navracsics Befürchtungen entgegen, Österreich werde bald gestürmt von Horden ungarischer Arbeitskräfte.


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Beim Rundgang durch Budapest verfestigt sich der Eindruck, dass der Politiker recht hat. Seit Herbst 2008, als Ungarn am Staatsbankrott vorbeischrammte, haben viele Geschäfte dicht gemacht. Nachgekommen sind leidlich bis recht gut besuchte Cafés. Irgendwie müsse man den Tag ja verbringen: Kaffee spende Seelenfrieden, heißt es nicht nur an einem Tisch auf die Frage, was man beruflich zu unternehmen gedenke.

Die Menschen wirken desillusioniert - mit Blick auf die Joblage nachvollziehbar. Auch nach dem Machtwechsel von April zeichnet sich keine Besserung auf dem Arbeitsmarkt ab. Die Erwerbslosenquote liegt über 11 Prozent.

Wien, das sei schon nett, aber auch ein ganzes Stück weg: Ob es sich überhaupt lohne, dort Arbeit zu suchen, ist öfter am Keleti-Palyaudvar zu hören, wo die Railjet-Züge nach Österreich abfahren. Im Nachbarland könne man sein Glück ja versuchen, "wenn man mit dem, was man hier hat, nicht ganz zufrieden ist", glauben jüngere Leute. Sie meinen die Aussicht auf besseren Verdienst. Was sie dafür tun müssten, wäre erst einmal zweitrangig.

Besser Qualifizierte sind optimistisch, dass sie brauchbare Jobs in Ungarn finden. Und: "Die Österreicher kommen bestimmt von sich aus auf uns zu, wenn sie Leute ausborgen wollen, die sie selbst nicht finden. Was soll ich da vorzeitig aufbrechen und meinen Preis drücken?", sagt ein Student.