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Regierungssprecher dementiert - ungarische Polizei setzte Tränengas gegen protestierende Flüchtlinge ein.
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Budapest. Ungarn will seine Südgrenze nun nicht nur mit einem 175 Kilometer langen Zaun und 2100 zusätzlichen Polizisten, sondern angeblich auch mithilfe des Heeres schützen. Wie ungarische Medien berichten, plant die rechtsnationale Regierung von Premier Viktor Orbán möglicherweise eine Änderung des Grundgesetzes. Sie wäre nötig, um das Heer gegen Flüchtlinge einsetzen zu können.
Wie genau dieser Einsatz aussehen soll und welche Aufgaben den Soldaten im Grenzschutz zukommen, ist unklar. Regierungssprecher Zoltán Kovács streitet die Existenz eines solchen Plans auf Anfrage der "Wiener Zeitung" ab und spricht von einem "Missverständnis". Vorgesehen sei lediglich, das Thema kommende Woche im Parlament zu debattieren. Dieses müsste gegebenenfalls sowieso über einen Einsatz des Heers abstimmen.
Die Zahl der Flüchtlinge an der ungarisch-serbischen Grenze ist nach Polizeiangaben auf einen neuen Höchststand geklettert.
Aufnahmelager geplant
Allein am Dienstag seien 2533 Flüchtlinge aufgegriffen worden. Sie waren über die "grüne Grenze" aus Serbien gekommen. In der Nacht auf Mittwoch kamen weitere 2000 Flüchtlinge in der südserbischen Stadt Presevo an. Die meisten zogen zu Fuß weiter Richtung Ungarn.
Doch auch Ungarn ist nur ein Zwischenstopp entlang der sogenannten Westbalkan-Route. Den Großteil der Flüchtlinge zieht es weiter nach Mittel- und Nordeuropa. Werden sie in Ungarn aufgegriffen, müssen sie allerdings einen Asylantrag stellen, um nicht abgeschoben zu werden. Das Dublin-Abkommen schreibt vor, dass ein Asylantrag in jenem Mitgliedsstaat gestellt werden muss, über den ein Flüchtling erstmals in die EU einreist. Entlang der Westbalkan-Route wäre das Griechenland, doch die dortigen Behörden sind mit der wachsenden Zahl der Ankommenden überfordert und winken viele Flüchtlinge durch, ohne sie zu registrieren. Zudem darf Ungarn niemanden nach Griechenland zurückschicken. Die EU-Kommission will die Flüchtlingskrise in Ungarn nun durch die Einrichtung eines großen Aufnahmelagers, eines sogenannten "hot spots", entschärfen.
Ungarn hat eine besonders restriktive Flüchtlingspolitik, die sich auch durch Polizeigewalt äußert. Zuletzt kam es zu Unruhen in einem Erstaufnahmezentrum in Röszke. Medien zufolge hatten Polizisten den Asylsuchenden verwehrt, mit Journalisten zu sprechen, sie eingekreist und Tränengas gegen sie eingesetzt. Die Polizei behauptet indes, die Flüchtlinge hätten sich geweigert, ihre Fingerabdrücke abzugeben.
Merkel besucht Flüchtlinge
Auch in Deutschland kam es zuletzt vermehrt zu Übergriffen auf Asylsuchende. Tagelang wüteten Rechtsextreme vor einer Notunterkunft in Heidenau bei Dresden, griffen Polizisten an und bedrohten Flüchtlinge.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, der vorgeworfen wird, zu lange zu den Ausschreitungen geschwiegen zu haben, besuchte gestern, Mittwoch, das Flüchtlingsheim in der sächsischen Kleinstadt. Sie solidarisierte sich mit Unterstützern und kündigte rasche Gesetzesänderungen an, um Flüchtlingen in Deutschland besser helfen zu können. Begrüßt wurde Merkel mit Buhrufen und Pfiffen rechter Demonstranten. Einschlägige Gruppen hatten über soziale Netzwerke zu Störaktionen aufgerufen.