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Ungarn zittert um EU-Fördergelder

Von WZ-Korrespondentin Karin Rogalska

Europaarchiv

Staatssekretär Varga sieht drohende EU-Maßnahmen politisch motiviert.


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Budapest. Der heutige Mittwoch droht zum Schicksalstag für Ungarn zu werden. Die EU-Kommission könnte heute empfehlen, im seit 2004 laufenden Defizitverfahren gegen Ungarn zumindest einen Teil der Mittel aus den europäischen Strukturfonds zu sperren. Das meldet das slowakische Internetportal "euractiv.sk" unter Berufung auf interne Kommissionsdokumente. Die EU-Finanzminister hätten sich bei ihrem Treffen am Montag darauf verständigt, Ungarn auf die heutige Agenda zu setzen.

Ungarischen Medien zufolge müssen die Magyaren frühestens Ende der Woche, spätestens jedoch Mitte März damit rechnen, dass Brüssel Sanktionen einleitet. Diese würden zum 1. Jänner 2013 in Kraft treten, falls Budapest bis Ende 2012 keine Maßnahmen ergreift, um sein Haushaltsdefizit nachhaltig unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken. Ungarn würde dann zumindest ein Teil der 1,7 Milliarden Euro gesperrt, die ihm für 2012 zustehen. Allerdings könnten alle über Strukturfonds finanzierten Projekte, die vor dem 1. Jänner 2013 begonnen wurden, beendet werden. Insgesamt waren von 2007 bis 2013 für Ungarn 25,3 Milliarden Euro vorgesehen.

Brüssel würde erstmals gegen ein Mitgliedsland mit derartiger Härte vorgehen. EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn will die neuen Instrumente des Economic Governance-Pakets zur wirtschaftlichen Steuerung, auch "Sixpack" genannt, voll ausschöpfen. Mitte Jänner hatte er der Regierung in Budapest mit Sanktionen gedroht, falls sie zur Eindämmung des Haushaltsdefizits keine umfassende Steuerreform in Angriff nehme und die öffentlichen Ausgaben nicht senke.

Ungarn sieht sich als Opfer

Die Regierung in Budapest wappnet sich für das drohende Ungemach einmal mehr mit Trotz. Mihaly Varga, leitender Staatssekretär beim ungarischen Ministerpräsidenten, sieht die jüngsten Spekulationen politisch motiviert. Ungarn sei eben das EU-Land, gegen das am längsten ein Defizitverfahren laufe, "und nun sieht die Kommission die Zeit dafür gekommen, ein Exempel zu statuieren und deshalb die Gelder aus dem Kohäsionsfonds zu suspendieren". Dabei entspricht Ungarn nach Vargas Darstellung längst den europäischen Vorgaben, weil es das Budgetdefizit bereits unter die Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP gebracht habe.

Dem ungarischen Wirtschaftsministerium zufolge belief sich das Haushaltsdefizit im Jahre 2010 auf 4,3 Prozent des BIP, ursprünglich hatte die Regierung 3,8 Prozent des BIP angepeilt. Nach vorläufigen Angaben vom Jänner stieg das Haushaltsdefizit 2011 auf 6,8 Prozent des BIP, dabei waren noch nicht die Einnahmen des Fiskus aus der Verstaatlichung der Guthaben bei privaten Pensionskassen berücksichtigt. Nach deren Einberechnung soll das Haushaltsdefizit auf 2,9 Prozent des BIP sinken. Da es sich bei den Zuflüssen aus der Altersvorsorge um Effekte aus einer einmaligen Maßnahme handelt, ist die EU-Kommission skeptisch, ob Budapest den Maastricht-Vorgaben auch auf Dauer genügt. Nach jüngsten Schätzungen aus Brüssel wird das Haushaltsdefizit 2012 nämlich auf 3,25 Prozent des BIP steigen.

In einem anderen Bereich winken Ungarn hingegen neue Gelder: Laut dem Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank (EIB), Wilhelm Molterer, kann das Land bald wieder mit Kreditmitteln aus den Töpfen der "Hausbank" der EU rechnen. Die EIB werde dann aktiv, wenn es in dem Land sinnvolle wirtschaftliche Projekte "und eine vernünftige Koordination zwischen dem IWF und der ungarischen Regierung gibt", sagte Molterer am Dienstag in Wien. Und: "Es wird verhandelt. Das ist für uns wichtig als Perspektive. Das ermöglicht uns dann auch eine Kreditvergabe." Ungarn will die Verhandlungen mit dem IWF bis Ende März abschließen.