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Ungarns misslungenes Krisenmanagement

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv
Proteste gegen Ungarns neue Medienbehörde, der Kritiker das Potenzial zur Zensur vorwerfen. Foto: ap

Mehr als 10.000 Menschen protestieren gegen international umstrittene Vorschriften. | Beschwichtigungsversuche der Regierung und Informationsflut erwecken Misstrauen. | Budapest. Mehr als 10.000 Menschen haben zuletzt in der ungarischen Hauptstadt vor dem Parlamentsgebäude gegen das international umstrittene Mediengesetz protestiert.


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Zur ersten größeren Kundgebung gegen die Politik der rechtskonservativen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban riefen die Demonstranten über Facebook auf, wo sie sich zugleich für die sofortige Aufhebung der Neuregelungen aussprachen. Vor dem Parlament forderten sie aber nur eine Entschärfung des Mediengesetzes. Anschließend meldete sich die auf Grundlage des Mediengesetzes neugeschaffene Behörde für Medien und Berichterstattung (NMHH) zu Wort.

Sie stimmte den Demonstranten in drei Punkten zumindest vordergründig zu. Das Recht auf freien Sprachgebrauch sowie die Meinungs- und Pressefreiheit müssten gewährleistet sein. Genau dafür zu sorgen sei aber Aufgabe der NMHH und des Medienrats. Die regierungsnahe Tageszeitung "Magyar Nemzet" wiederum meldete, die Europäische Kommission sehe nach einer erste eingehende Überprüfung des Mediengesetzes nur minimalen Korrekturbedarf. Dies wies ein Sprecher der EU-Kommission jedoch zurück - eine Analyse dauere noch an.

Unterdessen setzt die Regierung alles daran, insbesondere die europäischen Kollegen der ungarischen Medienschaffenden davon zu überzeugen, dass sie unliebsamen Journalisten das Leben gerade nicht zur Hölle machen will. Seit Verabschiedung des umfassenden Regelwerks kurz vor Weihnachten wurden über das Außenministerium mehrere hundert Seiten Begleitinformationen zum Mediengesetz in englischer Sprache verschickt. Selbst wenn man die genau 239 Seiten für die Übersetzungen der "Medienverfassung" und des "Gesetzes 185 2010 über Mediendienstleistungen und Massenmedien" abzieht, bleibt immer noch ein Konvolut von gut 50 Seiten.

Diese Unterlagen sind vor allem den vermeintlichen "Irrtümern" oder gar "Anklagen" der Kritiker des Mediengesetzes sowie den Regelungen besonders umstrittener Sachverhalte im Gesetz in anderen EU-Ländern gewidmet. Ein 13-seitiges Papier bietet einen Überblick zum Mediengesetz. Allerdings findet sich dort in Bezug auf das scheinbar überlange Gesetz über Mediendienstleistungen und Massenmedien kaum ein konkreter Hinweis darauf, wo genau die einschlägigen Regelungen zu finden sind, bei den Gesetzesübertragungen selbst fehlt das an sich obligatorische Inhaltsverzeichnis. Immerhin kann nun, wer mag, den Inhalt der Vorschriften nachlesen, an denen sich Ministerpräsident Viktor Orban bisher auch deshalb Kritik verbat, weil wohl kaum jemand die Originalvorlage in ungarischer Sprache habe eingehend studieren können.

Den Medien nichts antun

Kritikern ist es zu wenig, wenn die offiziellen Erläuterungen zum Mediengesetz nur darauf hinauslaufen, dass andere es sicher nicht besser machen oder dass man den Medien nichts antun wolle. Ersteres zeugt von wenig Selbstreflexion. Letzteres wiederum wirft nur weitere Fragen auf: was die ungarische Regierung denn mit dem Mediengesetz erreichen will und ob das, was sie will, möglicherweise so verheerend ist, dass sie es nicht in nachvollziehbarer Weise kundtun kann.