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Ungarns Präsident Schmitt ist seinen Doktortitel los

Von WZ-Korrespondentin Karin Rogalska

Europaarchiv

Politiker verliert zusehends an Unterstützung durch Regierungspartei.


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Budapest.

Der Senat der Semmelweis-Universität für Medizin (SOTE) in Budapest hat dem ungarischen Staatspräsidenten Pal Schmitt den Doktortitel aberkannt. 33 Senatsmitglieder stimmten dafür, einer Empfehlung der Doktoratskommission der SOTE zu folgen, wonach Schmitt den Titel zurückgeben muss. Nur vier Angehörige des Gremiums waren dagegen.

Am Dienstag hatte die Universität bestätigt, dass der heutige Präsident große Teile seiner 1992 an der damaligen Sportuniversität eingereichten Dissertation bei zwei anderen Sportwissenschaftlern, dem Bulgaren Nikolaj Georgiew und dem Deutschen Klaus Heinemann, ohne entsprechende Quellenverweise übernommen hat. Neu waren dabei die Feststellungen zu Georgiew. Der ungarische Präsident hatte gleich lautende Passagen bisher mit einer engen Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Bulgaren erklärt.

Erste Vorwürfe gegen Schmitt waren Anfang Jänner laut geworden. Seitens der SOTE hatte es zunächst geheißen, man sehe keinen Grund zu deren Überprüfung. Schon am 19. Jänner wurde aber bestätigt, dass Schmitts in seiner Dissertation über weite Strecken Gedanken von Klaus Heinemann übernommen hat.

Mit der Entscheidung der Senatskommission ist noch längst nicht über Schmitts politisches Schicksal entschieden. Die regierungsnahe Tageszeitung "Magyar Nemzet" legte dem Präsidenten zwar schon am gestrigen Donnerstag einen Rücktritt nahe. Offiziell hält die nationalkonservative Regierungspartei Fidesz, mit deren Stimmen Schmitt im Juni 2010 in sein Amt gehievt wurde, an Schmitt fest. Noch am Dienstag hieß es aus den Reihen der Partei, die Affäre sei mit dem Bericht der Universität erledigt. Fraktionschef Janos Lazar mahnte vor der entscheidenden Sitzung an der SE ausdrücklich zur Umsicht, "da es um das ungarische Staatsoberhaupt geht". Das Internetportal hvg.hu, das die Plagiatsaffäre enthüllt hatte, zitierte allerdings mehrere Fidesz-Abgeordnete, für die Schmitt als Präsident nicht mehr tragbar ist.

Steht Orban hinter ihm?

Schmitts Verbleib im höchsten Staatsamt hängt daher vor allem davon ab, ob Ministerpräsident Viktor Orban weiterhin hinter ihm steht. Vor zwei Jahren forcierte der Regierungschef die Wahl Schmitts zum Staatsoberhaupt, um sich Laszlo Solyoms zu entledigen, der ihm wohl beim geplanten politischen Umbau Ungarns im Wege gestanden hätte. Schließlich hatte Solyom zuvor seine Prüfungsbefugnisse bei Gesetzen sehr ernst genommen.

Schmitt hingegen eilte der Ruf eines braven Fidesz-Exponenten voraus, der sich keinem Vorhaben des Premiers widersetzen würde. Im Übrigen gilt er als einer der unbeliebtesten Politiker, sodass ihm auch diese Affäre wenig anhaben kann. Vor diesem Hintergrund trennt sich Orban nur dann von Schmitt, wenn ihm selbst ein Popularitätsverlust droht.

Mit der Rechtspartei Jobbik, der sozialistischen MSZP, der Demokratischen Koalition des ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany und der grün-liberalen LMP fordern unterdessen alle vier Oppositionsparteien den Rücktritt von Schmitt. Die MSZP und die DK brachten im Parlament einen Entschließungsantrag ein, in dem Schmitt zur Niederlegung seines Amtes aufgefordert wird. Allerdings regiert Fidesz mit einer satten Zwei-Drittel-Mehrheit.