Regierung in Turbulenzen. | Budapest. Die linksliberale Regierungskoalition in Budapest wird zurzeit auf eine harte Probe gestellt. Gesundheitsministerin Ágnes Horváth vom kleineren Koalitionspartner SZDSZ muss zum 30. April ihren Hut nehmen. Premier Ferenc Gyurcsány bestellte die Ministerin, die erst seit dem 23. April 2007 und damit noch nicht einmal ein Jahr im Amt ist, am gestrigen Montag zu einem gut 20-minütigen Gespräch in sein Dienstzimmer. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass der Premier eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Horváth nicht wünsche.
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Der vergleichsweise gelassene Gesichtsausdruck Horváths im Anschluss an die Unterredung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass nunmehr nichts weniger als der Zusammenhalt der ungarischen Regierung und damit auch das politische Überleben des Premiers selbst auf dem Spiel steht. Die Forderungen nach seinem Rücktritt sind jedenfalls nicht mehr zu überhören.
Gyurcsány selbst betonte danach im Parlament, dass seine Partei MSZP die anstehenden Probleme trotz allem in der Koalition lösen wolle. SZDSZ-Chef János Kóka hingegen warf dem Ministerpräsidenten einen "Bruch der Koalitionsvereinbarung" und eine einseitige Darstellung der jüngsten Geschehnisse vor. Der Premier hatte ihn der Nachrichtenagentur MTI zufolge im übrigen am Sonntag weder unter vier Augen noch am Telefon über seine Pläne unterrichtet.
Die Opposition sieht in der Entlassung Horváths allein einen Versuch Gyurcsánys, sein eigenes Versagen in einem der wichtigsten Bereiche seines "Reformprogramms" zu kaschieren. Ein Schwerpunkt dieses Programms sind durchgreifende Änderungen im Gesundheitswesen, die von der Bevölkerung zurzeit aber vor allem aber als Einführung einer Vielzahl von unliebsamen und zugleich unvorhersehbaren Gebühren wahrgenommen wird. Nicht zuletzt hatten im Referendum vom 9. März mehr als 80 Prozent der Beteiligten auch gegen die im Vorjahr eingeführten Spitalsgebühren gestimmt.
Das war vor allem als "Ohrfeige" für Gyurcsány interpretiert worden. Tatsächlich geriet in den Wochen danach aber die ohnehin nicht allzu populäre Gesundheitsministerin immer mehr in die öffentliche Kritik, wenngleich der Premier auch in den eigenen Reihen deutliche Nackenschläge einstecken musste. Umso entschlossener sprach Gyurcsány zuletzt von der Notwendigkeit von Reformen.
Oppositionschef Viktor Orbán feiert unterdessen in aller Gelassenheit das 20-jährige Bestehen seiner Fidesz-Partei, wohl wissend, dass die Stimmung im Volk momentan vor allem für ihn günstig ist.