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Ungarns Sozialisten in Machtkampf verheddert

Von Harriett Ferenczi

Europaarchiv

Ungarische Medien berichten von Flügelkämpfen, die die Stabilität der regierenden Sozialistischen Partei (MSZP) von Ministerpräsident Peter Medgyessy gefährden. Seitdem klar ist, dass der derzeitige Außenminister, Laszlo Kovacs, im November in die EU-Kommission nach Brüssel wechselt, treten die innerparteilichen Differenzen immer klarer zutage.


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Denn nun ist die die MSZP auf der Suche nach einem neuen Vorsitzenden. Am Freitag hieß es, gleich fünf Kandidaten würden auf dem Parteitag im Oktober um den Chefsessel kämpfen: Kovacs' Stellvertreter Imre Szekeres, Kulturminister Istvan Hiller, Parlamentspräsidentin Katalin Szili, Innenministerin Monika Lamperth sowie Laszlo Toller aus dem Parteivorstand. Durch das Ausscheiden von Laszlo Kovacs wird aber auch der Posten des Außenministers vakant. Politische Beobachter rätseln um die Nachfolge. Im Rundfunk wurde Gyula Horn genannt, Außenminister zur Zeit der politischen Wende, von 1994-1998 dann Regierungschef. Auch ein Ressorttausch wird nicht ausgeschlossen: Demnach könnte die MSZP das Außenamt an den liberalen Koalitionspartner Freie Demokraten (SZDSZ) abtreten und dafür das Wirtschaftsministerium erhalten. Da Medgyessy ohnehin mit Wirtschaftsminister Istvan Csillag "unzufrieden" sei, könnte dieses Problem auf diese Weise ohne Prestigeverlust für die Liberalen gelöst werden.

Entscheidung "im August"

Medgyessy hat die Regierungsumbildung für Ende August angekündigt. Dass er nicht bis zum Parteitag warten will, führte zu Kritik unter den Genossen. Csaba Tabajdi, MSZP-Europaabgeordneter, forderte indes die parteilosen Minister des Kabinetts auf, "Farbe zu bekennen". Die durch die Sozialisten in die Regierung gelangten Unabhängigen sollten ihr Verhältnis zur MSZP "klären". Dazu zählen Finanzminister Tibor Draskovics, Justizminister Peter Barandy und die für Chancengleichheit zuständige Ministerin Kinga Göncz. Wenn es nach Tabajdi geht, sollten auch diese Minister Mitglieder der MSZP werden.

Politologen sprechen von einer "sich vertiefenden und sich verkomplizierenden Krise bei der Linken". Diese habe durch die Niederlage bei den Europa-Wahlen an Zündstoff gewonnen. Der Experte Zoltan Lakner bemängelt, die MSZP habe keine Vorstellungen, mit welchen Mitteln sie die verschiedenen Gesellschaftsgruppen für die Partei gewinnen könnte. Die bei den Europa-Wahlen siegreiche rechtskonservative Oppositionspartei Fidesz-Ungarischer Bürgerverband habe demgegenüber seit Jahren "ernsthaft" daran gearbeitet, sich in allen Schichten zu etablieren.

Da Parteien und Regierung nicht voneinander zu trennen seien, würden die Wähler im Fall der MSZP die Tätigkeit der Regierung und nicht die der Partei beurteilen, so Lakner. Dabei könne sich Medgyessy wegen der "innerparteilichen Probleme" nicht ausreichend mit dem Regieren beschäftigen. Laut dem Politologen sind Regierung und MSZP-Vorstand zu Rivalen geworden; das berge die Gefahr einer Krise. Von einer Krise haben die Medien jüngst schon berichtet. Der Premier dementierte umgehend.

Medgyessys Rivale

Lakners Kollege Ferenc Kumin wiederum erinnert an Folgendes: Obwohl Parteichef Kovacs die Verantwortung für das schwache Wahlergebnis bei den Europawahlen übernommen habe, sei Medgyessy dadurch nicht entlastet worden. Als ernsthafter Konkurrent für den Regierungschef werde Sportminister Ferenc Gyurcsany genannt, der sich auf eine "wichtige politische Rolle" vorbereite. Gyurcsany hatte bereits wegen des "politischen Konflikts" mit Medgyessy seinen Rücktritt angeboten. Eine Entscheidung des Premiers dazu steht noch aus. Zugleich spricht Kumin von einer "generellen Krise der Sozialdemokraten" in Europa: Sofern an der Regierung, seien sie europaweit in einer schwierigen Lage. APA