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Nach Plagiatsvorwürfen kündigt Präsident eine neue Dissertation an.
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Budapest. Pal Schmitt bleibt ungarischer Präsident. Das erklärte er am Freitag im TV-Sender MR 1. Er reagierte damit auf die Entscheidung des Senats der Semmelweis-Universität für Medizin in Budapest, ihm den Doktortitel abzukennen, weil er einen Großteil seiner 1992 an der früheren Sportuniversität eingereichten Dissertation beim Bulgaren Nikolaj Georgiew und beim Deutschen Klaus Heinemann abgeschrieben hatte. Den Plagiatsvorwurf hatte das Wochenblatt "hvg" im Jänner erhoben. Er sehe keinen Zusammenhang zwischen seiner Funktion und der Aberkennung des Doktortitels, zumal er in der Sache nicht angehört worden sei, betonte Schmitt am Freitag. Er kündigte an, eine neue Dissertation zu verfassen, wenngleich er seine erste Dissertation nach bestem Gewissen verfasst habe.
Am Morgen hatte das Präsidialamt mitgeteilt, das Schmitt sein Tagesprogramm absage. So hätte er im Wiener Künstlerhaus die dem ungarischen Maler Mihaly Mukacsy gewidmete Ausstellung "magic & mystery" eröffnen sollen. Premier Viktor Orban erklärte, über einen Rücktritt des Präsidenten entscheide dieser allein. Es sei aber im Interesse Ungarns, dass das Staatsoberhaupt persönlich unangreifbar sei. Im Lauf des Tages, an dem die Regierungspartei Fidesz ihren 24. Gründungstag beging, sickerte immer wieder durch, Schmitt habe durch die Plagiatsaffäre beinahe die ganze Partei gegen sich aufgebracht.
Bei allem bleibt unbeantwortet, warum Ungarn gerade jetzt von der Affäre erschüttert wird. Schon früher hatten viele Schmitt wegen dessen Doktortitel belächelt. Und als sich die Universität Mitte Jänner zu den Vorwürfen äußerte, ließ sich heraushören, dass ihm der Titel mit viel gutem Willen zugesprochen worden war. Inhaltlich brachte die Affäre also kaum neue Erkenntnisse.
Auffälliger Zeitpunkt
Stutzig macht der Zeitpunkt, an dem sie ins Rollen kam. Mitte Jänner war das Grundgesetz, Dreh- und Angelpunkt für den Umbau des politischen Ungarn nach den Vorstellungen von Premier Orban, erst wenige Tage in Kraft. Gültigkeit hatte es durch die Unterschrift des Präsidenten Schmitt erlangt, der seit seiner Wahl im Juni 2010 auch die umstrittensten Gesetze ohne merkliches Aufbegehren abgesegnet hatte.
Schmitt ließ sich also nichts zuschulden kommen, das ihn aus Orbans Sicht zum Abschusskandidaten prädestinierte. Allerdings könnte er sich auch gerade dadurch ins Abseits manövriert haben. Denn Orban betont immer wieder, die Schlüsselgesetze seiner Regierung seien bis 2011 auf den Weg gebracht worden.
Der Premier selbst steht schon seit Monaten unter so heftigem Beschuss im In- und Ausland, dass es ihm sehr zupass kommt, wenn zumindest der Volkszorn in eine andere Richtung geht und sich gegen die Person des ohnehin unpopulären Schmitt richtet.
Die Plagiatsaffäre weist auch unverkennbare Parallelen zu den jüngsten Ereignissen in Deutschland auf. Das liegt für die Donau-Metropole Budapest gar nicht so fern, zählen doch die deutschen Konservativen zu Orbans treuesten Unterstützern in Europa. Schmitt gilt wie der zurückgetretene deutsche Bundespräsidenten Christian Wulff seit jeher als treuer Soldat der Regierungspartei und wurde vor allem wegen seiner vermeintlichen Schwäche installiert. Und ähnlich der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die selten so beliebt war wie im Zuge der Wulff-Affäre, will der promovierte Jurist Orban nun offenbar zum Höhenflug ansetzen, indem er sich als moralisch unbefleckter Politiker profiliert. Nicht zuletzt weckt Schmitts TV-Auftritt Erinnerungen an Wulffs Interview, in dem er das Volk von der Notwendigkeit seines Verbleibs im Amt überzeugen wollte.