Premier Orban nimmt Einführung von Studiengebühren zurück.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Budapest. Er ist mager, schwarzhaarig und ganze 17 Jahre alt: Der Budapester Gymnasiast Máté Ábrahám hat es zum populärsten Redner der Studenten und Schüler gebracht, die soeben mit tagelangen Straßenprotesten die übermächtige rechts-nationale Regierung von Viktor Orban zum Einlenken gebracht haben. Der junge Mann, in dem offensichtlich ein Volkstribun steckt, hatte Orban frontal angegriffen: Der Premier habe Angst, sich an seine eigene Jugend zu erinnern und persönlich mit den Demonstrierenden zu sprechen, sagte der Vorsitzende des Oberschüler-Protestvereins. Tatsache ist: Orbans Fidesz hat der Studentenaufruhr offenbar nicht unbeeindruckt gelassen, denn die geplante Einführung von Studiengebühren wurde gestrichen. Offen blieb allerdings ein weiterer Kritikpunkt der Studenten - nämlich die Frage, ob der Staat die Ungarn daran hindern kann, nach ihrem Studium im Ausland zu arbeiten. Die Regierung will die Akademiker vertraglich verpflichten, für die doppelte Dauer ihres Studiums in ihrer Heimat zu arbeiten - wohl um die Abwanderung gut ausgebildeter Ungarn ins reichere Westeuropa zu stoppen.
Kulminiert ist der Protest tausender junger Leute am Montagabend vor dem Gebäude des von Orban kontrollierten Staatsrundfunks. Die Demonstranten verlangten nicht mehr und nicht weniger, als ans Radio-Mikrofon gelassen zu werden. Leise Erinnerungen an die Besetzung des stalinistischen Rundfunks beim antisowjetischen Ungarn-Aufstand von 1956 kamen auf. Der Rundfunk lenkte ein wenig ein: Die Forderungen der Studenten wurden als Zusammenfassung von einem Redakteur verlesen - was die draußen demonstrierende Menge aber mit Pfui-Rufen quittierte, weil die Aktivisten nicht persönlich ihre Botschaft durch den Äther schicken durften. Federführender Organisator der Proteste war die neu gegründete "Human Plattform", zu der neben Schüler- und Studentenverbänden auch Künstlervereine und Lehrergewerkschaften gehören.
Dass es nun doch keine Studiengebühren geben soll, scheint den Elan des Jung-Aktivisten Abraham und seiner Freunde nicht zu bremsen, eher im Gegenteil: "Wenn Orban an einem einzigen Wochenende die Probleme des Hochschulunterrichts gelöst hat, wozu das Ministerium in anderthalb Jahren nicht fähig war, kann das nur zweierlei bedeuten: Entweder ist das Ministerium unbrauchbar, oder das System funktioniert willkürlich. In der Schü-lersprache heißt das Diktatur", sagte der eloquente Abraham bei einer Versammlung, wie das Nachrichtenportal index.hu berichtete. Am heutigen Mittwoch sollen die Demos weitergehen, um auch den Knebelvertrag, der zum Daheimbleiben verpflichtet, wegzuprotestieren.