Zum Hauptinhalt springen

Ungehörte Rufe

Von Simon Rosner

Politik

Irmgard Griss will weder Präsidentin noch Verfahrensrichterin im Hypo-U-Ausschuss werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Irmgard Griss kann sich derzeit der Avancen nicht erwehren. Kaum war der Bericht der von ihr geleiteten Kommission veröffentlicht, und kaum hatte die ehemalige Höchstrichterin dessen Inhalt verständlich erklärt und damit das Versagen so ziemlich aller Beteiligten offenbart, flogen ihr auch schon print-, cross- und socialmedial die Lobeshymnen sowie der eindeutige Hashtag #grissforpresident entgegen. Sie winkte dankend ab.

Am Mittwoch ging es im Parlament weiter. Wieder Lob für den Bericht und seine Autorin, und zwar von allen Seiten, und Reinhold Lopatka, Klubchef der ÖVP, schlug gleich vor, dass Griss beim Untersuchungsausschuss zur Hypo Alpe Adria als Verfahrensrichterin fungieren soll. Diese Position wurde bei der U-Ausschuss-Reform neu geschaffen. Die SPÖ zeigte sich von der Idee angetan.

Höflich wäre es gewesen, zuerst bei Griss anzufragen, ob sie denn überhaupt Verfahrensrichterin sein will. Offenbar wurde das nicht getan. Die "Wiener Zeitung" fragte schriftlich an, und Griss antwortete: "Nein, ich möchte nicht Verfahrensrichterin sein. Ich finde, dass diese Funktion mit der Arbeit der Untersuchungskommission nicht vereinbar ist. In der Untersuchungskommission hatten wir die Fakten festzustellen und nach fachlichen Kriterien zu bewerten, der Untersuchungsausschuss wird sich mit der politischen Verantwortung befassen."

Kritik anDiskussionskultur

Dass Griss eher nicht für das politische Kleinklein zu haben sein wird, hätte sich Lopatka möglicherweise schon denken können, als Griss in der ORF-Sendung "Im Zentrum" mit ruhigen, aber doch sehr deutlichen Worten die Diskussionskultur der politischen Parteien zur Hypo klar kritisierte. Lopatka saß ihr dabei gegenüber. Sie sei aber gerne bereit, erklärte Griss, "dem Untersuchungsausschuss bei Bedarf als Auskunftsperson zur Verfügung zu stehen."

Beschlossen wird der U-Ausschuss im Jänner, seine Arbeit aufnehmen wird er dann vermutlich rund um Ostern, zuvor müssen noch die Vorarbeiten geleistet werden. Da mit einer enormen Daten- und Aktenmenge zu rechnen sein wird, wird das einige Wochen in Anspruch nehmen.

Nur Team Stronachvotiert gegen die Reform

Heute, Donnerstag, wird die neue Geschäftsordnung, die das Minderheitsrecht zur Einsetzung des U-Ausschusses regelt, formell mit den Stimmen von fünf Parteien beschlossen. Nur das Team Stronach ist gegen diese Reform. Am Mittwoch wurde diese Zäsur der parlamentarischen Demokratie Österreichs im Plenum von den Fraktionen noch einmal gewürdigt, fast durchwegs war von einem historischen Beschluss die Rede.

Durch die Reform ist es einem Viertel der Abgeordneten nicht möglich, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, auch bei der Anforderung von Beweismitteln oder bei der Ladung von Auskunftspersonen hat die Opposition mehr Rechte.

Von den Regierungsparteien kam der Wunsch nach einem besseren Schutz der Auskunftspersonen, um den sich auch die neue Position des Verfahrensanwalts oder der Verfahrensanwältin kümmern soll. Griss wird dies aber eben nicht sein. Der Vorsitz des U-Ausschusses wird nicht externalisiert, sondern bleibt im Nationalrat, konkret in dessen Präsidium.

Sollte es Unstimmigkeiten geben, wird die Entscheidung künftig in einigen Fällen an den Verfassungsgerichtshof delegiert, etwa bei Beweismitteln, bei Zeugenladungen oder im Falle der Klassifizierung von Unterlagen, die in vier Vertraulichkeitsstufen von "eingeschränkt" bis "streng geheim" unterteilt werden.