Der ÖSV könnte seinen Einfluss nützen, um Frauenskispringen zu forcieren. Dass er es nicht tut, enttäuscht mehr als ein vierter Platz.
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Die Olympischen Spiele sind in der Zielgerade, Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen: Zu den großen Gewinnern zählen neben den internationalen Größen wie Marit Björgen und Martin Fourcade die österreichischen Rodler und Marcel Hirscher sowieso (ungeachtet des Ergebnisses des Slaloms in der Nacht auf Donnerstag); zu den großen Verlieren aus heimischer Sicht freilich die Skispringer. Auch wenn deren letzter Bewerb, das Teamspringen am Montag, nun schon einige Tage her ist, man sich angesichts der Formkrise mancher Athleten im Team mit einem vierten Platz noch halbwegs schadlos gehalten hat, werden die Resultate den heimischen Verband noch länger beschäftigen. Dass Cheftrainer Heinz Kuttin sich danach gegen seine Springer stellte und jenen, die von einem guten Teamspirit redeten, offen widersprach ("Da ist vieles gespielt"), wird seine ohnehin wackelige Position nicht unbedingt festigen. Dabei hätte es für die Springer auch ganz anders laufen können: Wäre da und dort statt Windpech ein bisschen Glück gewesen, sähe die Sache jetzt vielleicht ganz anders aus. Und auch ein neuer Bewerb hätte der Tristesse Abhilfe verschaffen können: Ein Mixed-Team aus Stefan Kraft, Michael Hayböck sowie Daniela Iraschko-Stolz und Chiara Hölzl oder Jacqueline Seifriedsberger hätte gut und gerne um Edelmetall mitreden können. Freilich: Der ÖSV macht das Olympia-Programm nicht - er wäre aber einflussreich genug, Neuerungen zu forcieren. Ein gemeinsamer Bewerb würde nicht nur durch die rot-weiß-rote Brille betrachtet von Weitblick zeugen: Er würde die Verbände vielleicht anregen, mehr in die Frauensportförderung zu investieren, zumal die derzeitige Regelung, wonach Athletinnen nach einem einzigen Bewerb wieder heimgeschickt werden, auch - wenn das schon die Währung ist, die die Sport- und Olympia-Funktionäre verstehen - wirtschaftlich betrachtet wenig sinnvoll ist.
In anderen Sportarten trägt man diesen Entwicklungen längst Rechnung: Im alpinen Skisport gibt es wie schon bisher bei Weltmeisterschaften heuer erstmals einen (bei den stressgeplagten Fahrern eher ungeliebten) Er- und Sie-Lauf, auch ein gemischter Curling-Bewerb war heuer erstmals im Programm (und sorgte unfreiwillig für Doping-Schlagzeilen durch einen männlichen Teilnehmer aus Russland); dazugekommen sind auch je ein Frauen- und ein Männerbewerb im Snowboard-Big-Air. Die Skispringerinnen sind hingegen beinahe die einzigen, die nach nur einem Wettkampf die Sachen packen müssen - und nicht einmal dort so richtig zeigen können, was sie draufhaben. Denn während sie im Weltcup mittlerweile - großteils unter dem Radar der Öffentlichkeit - auch über große Bakken gehen, sind sie bei Olympia auf die Normalschanze gebucht. Bei den Herren dagegen ist es genau umgekehrt: Sie springen im Weltcup ausschließlich auf Großschanzen, dürfen sich bei Olympia aber auf beiden versuchen. Vor Jahren hat man Versuche unternommen, Frauenskispringen populärer zu machen. Sie waren, wie sich immer mehr herausstellt, halbherzig. Bei Olympia hätte man die Chance dazu. Dass diese ungenützt bleibt, ist eigentlich eine größere Enttäuschung als ein vierter Platz.