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Ungewohnte neue Perspektiven

Von Christian Mayr

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Ist es Ihnen beim Bergisel-Springen auch aufgefallen? Gemeint ist nicht das schlechte Abschneiden der ÖSV-Adler auf der Heimschanze, sondern die ungewohnte neue Kamera-Positionierung. Denn seit Jahrzehnten wurde am Bergisel - wie bei gefühlten 90Prozent der Bakken - von rechts oben nach links unten gehüpft. Televisionär gesehen. Diesmal jedoch wurde die Hauptkamera auf die andere Seite der Sprunganlage versetzt - wohl mit dem Ziel, die noch größere Zuschauermenge im Bergisel-Hexenkessel zur Linken der Springer einzufangen. Wie so oft ist gut gemeint aber das Gegenteil von gut. Denn dadurch konnte man die Springer in der ersten Flugphase durch das Gegenlicht der tiefstehenden Sonne nicht richtig ausnehmen - zumindest in Durchgang eins; und statt vor der typischen Kulisse des grünen Tannenwalds flogen die Athleten am steril-wirkenden Windnetz vorbei. So verlor der Bergisel für TV-Zuseher seine Charakteristik - er wirkte nicht mehr wie der Bergisel, sondern sah aus wie Lahti.

Und damit sind wir beim eigentlichen Kern des Problems: Traditionsveranstaltungen sind deshalb so bedeutend, weil die Tradition Jahr für Jahr fortgeschrieben wird: Auch wenn sich drumherum alles ändert - es ist nach wie vor der selbe Aufsprunghügel, wo dereinst schon Bubi Bradl, Toni Innauer und Andi Felder im Schnee gelandet sind. Und da Wintersport primär ein televisionäres Ereignis ist, sind derlei Kamera-Veränderungen immer problematisch. Das gilt ganz besonders für die Abfahrt, wo gern herumexperimentiert wird. Mit dem Ergebnis, dass Steilhang und Traverse in Kitzbühel, Ciaslat in Gröden oder die Kompression in Beaver Creek Jahr für Jahr anders aussehen und mit der Vergleichbarkeit auch ein Stück Tradition verloren geht.