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Ungläubige Gläubiger

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Die grundsätzliche Einigung der EU-Staaten, dass künftig Käufer von Staatsanleihen mit Verlusten zu rechnen haben, wenn das betreffende EU-Land zahlungsunfähig wird, ist zu begrüßen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat es auf den Punkt gebracht: Länder mit hohen Schulden zahlen bereits höhere Zinsen, und diese Zinsdifferenz ist eine Art Risikoprämie. Und ein Risiko kann eben schlagend werden, sonst wäre es ja eine Garantie.


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Bankenverbände machen bereits mobil dagegen, allerdings ist nicht ganz klar, warum. Bei privaten Schuldnern ist es ja auch so. Nehmen wir als Beispiel die jüngste Firmenpleite Österreichs, die A-Tec des Unternehmers Mirko Kovats. Die kreditgebenden Banken und die Käufer der A-Tec-Anleihe werden einen Teil ihres Geldes nicht mehr wiedersehen. Das Unternehmen ist insolvent.

Während Regierungen mit unterschiedlich ausgeprägten Sparpaketen den Defiziten gegensteuern, muss Kovats aus seiner Privatstiftung derweil einmal nichts beisteuern. Er gibt einen Teil seiner A-Tec-Aktien her, deren Werthaltigkeit unklar ist.

Anleihekäufer und Kreditgeber haben aber von der A-Tec niedrigere Zinsen verlangt, als derzeit etwa Griechenland oder Portugal zu zahlen haben. Beim Privaten wird dieser "Haircut" genannte Verlust trotzdem akzeptiert, bei Staaten dagegen nicht.

So gesehen hat die EU-Einigung auch eine pädagogische Wirkung, für die Steuerzahler dankbar sein sollten. In der Vergangenheit wurde EU-Staaten ohne große Prüfung Geld geliehen.

Das sollte nun vorbei sein. Die Finanzminister mancher Staaten werden künftig ihren Anleihe-Gläubigern vorrechnen müssen, wie sie das Geld refinanzieren wollen und können. Allein das wird einen dämpfenden Effekt haben. Einem Unternehmen, das mehr Schulden als Umsatz oder in einem Jahr zehn Prozent Verlust vom Umsatz macht, hätten die Banken vermutlich längst den Stuhl vor die Tür gestellt.

Was die EU vorhat, mag Gläubiger ungläubig staunen lassen, aber es dient zweifellos der Hygiene im Finanzgeschäft. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat gelehrt, dass sich das Risiko einseitig auf die Steuerzahler beschränkt - auch, weil es keine EU-weit gemeinsame Finanzierung gibt. Wenn dieses Risiko künftig gerechter gestreut wird: Nur zu!