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"Ungläubige" helfen aus Humanität bedingungslos

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare

Die Taliban agitieren infam: Die Hochwasserkatastrophe in Pakistan sei Allahs Strafe für die Zusammenarbeit mit den "Ungläubigen" im Westen. Sie trumpfen religiös mit ihrer sozialen Stärke auf: Armenfürsorge gemäß einem der vier höchsten Gebote des Islam. Und sie drohen unverschämt: Wer Hilfe und Schutz von den "Ungläubigen" annehme, riskiere schwere Strafen Allahs oder seiner "Gotteskrieger".


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Den psychologischen Unterschied zu dieser Katastrophe zeigt das Erdbeben auf Haiti. Ein gigantischer Schlag zerstörte ein Land und 50.000 Menschenleben. Zehntausende Schwerverletzte schrieen um Hilfe. Binnen Stunden lief die internationale Hilfe an. Millionen Menschen spendeten Multimillionen Dollar.

Hingegen schleicht die Hochwasserkatastrophe seit vier Wochen still durch Pakistan. Das Leiden der Millionen Opfer wimmert leise. Das Echo blieb schwach und rüttelte die latente Bereitschaft zu Spenden nur langsam wach. Es tauchten Fragen auf, die im Fall Haiti kaum jemand stellte: Versickern Spenden nicht in einem Staat, der auf dem Korruptionsindex Platz 139 unter 180 Staaten einnimmt, ein Drittel seines Budgets in die Armee steckt und sich trotz himmelschreienden Elends die Atombombe leistet? Verdient ein islamisches Land Hilfe, das 80 Prozent seiner Staatsbürger jede Schulbildung verweigert und den Rekord an "Ehrenmorden" hält?

Humanitäre Hilfe fragt nicht danach, ob Pakistan muslimisch oder Haiti christlich ist. Sie kann sich auf bewährte private Organisationen wie Rotes Kreuz, Nachbar in Not, Caritas, Ärzte ohne Grenzen, Diakonie oder Care stützen. Diese stellen mit hundertfach nachgewiesener Sachkompetenz sicher, dass die Spenden bis zum letzten Cent dort ankommen, wo sie Not lindern. Sie kaufen Güter und verteilen sie strategisch planvoll am korruptionsverdächtigen Staat vorbei. Sie verfügen im hilfsbedürftigen Land über ebenso private und kompetente Partner. Sie erhalten sogar von klugen Regierungen Millionen, damit Staaten aus dem Spiel bleiben und nicht psychologische Pannen passieren wie die Aufschrift "USAID" auf Paketen aus den USA.

Spenden und Soldaten ändern nichts an der islam(ist)ischen Praxis und an den muslimischen Wertvorstellungen. Politisch orientierte Hilfe versagt, weil sie nicht die entscheidende Botschaft vermittelt: "Ungläubige" fragen nicht nach Taufschein oder Burka, sie helfen aus Humanität bedingungslos. Spenden an nicht-staatliche, private Organisationen machen also wirksame Hilfe möglich.

Kann man ungerührt zusehen, wie die Hochwasserkatastrophe schon in die nächste überleitet? Ernten sind vernichtet, die Kornkammer Sindh steht unter Wasser, eine Hungersnot und die zu 40 Prozent tödliche Cholera sind bereits Vorboten der Tragödie, dass die Betroffenen ihres nackten Lebens keineswegs sicher sind, das sie aus den Fluten gerettet haben.

Die Alternativen: Fließen ausreichend Spenden an Hilfsorganisationen? Wenn nein, haben im wachsenden Chaos die Taliban die besseren politischen Karten.